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Bürgerrechte gesetzlich ausgehebelt

Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hartmut Lubomierski kritisiert vehement das neue Polizeigesetz: Die Hürden für Personenkontrollen und Überwachungsmaßnahmen seien zu gering, Betroffenen werde die juristische Gegenwehr verwehrt

Von Marco Carini

Die Kritik hätte kaum harscher ausfallen können: Hamburgs neuer Datenschutzbeauftragter Hartmut Lubomierski geht mit dem Entwurf des neuen Polizeigesetzes hart ins Gericht. Die Vorlage aus dem Hause von Innensenator Udo Nagel enthalte „eine Reihe von Regelungen, die datenschutzrechtlichen Anforderungen nicht genügen“. In einem Brief an den Innenausschussvorsitzenden Karl-Heinz Warnholz (CDU) beklagt Lubomierski eine Reihe von Gesetzesänderungen, die nach seiner Auffassung Bürger- und Datenschutzrechte aushebeln würden.

Er habe diese Kritik „bereits im behördlichen Abstimmungsverfahren“ klar und deutlich geäußert, betonte der Datenschützer gestern gegenüber der taz. Doch seien seine Bedenken „nur in Teilen aufgenommen“ worden. Innenbehördensprecher Marco Haase zeigt sich „verwundert“ über die Breitseite von Lubomierski, der an der Gesetzeserstellung „umfassend beteiligt gewesen“ sei. Haase: „Da soll nachgekartet werden.“

Jeder kann Opfer werden

Konkret kritisiert der Datenschutzbeauftragte, „dass potenziell jedermann“ Opfer der geplanten verdachtsunabhängigen Kontrollen „einschließlich des zwangsweisen Verbringens zur Polizeidienststelle unabhängig vom Vorliegen einer konkreten Gefahr oder eines konkreten Verdachts gegen den Betroffenen“ werden könnte. Auch die Regelung für die Videoüberwachung öffentlicher Plätze geht Lubomierski zu weit. Laut Gesetzestext könnten Kameraanlagen schon dort errichtet werden, wo zweimal eine Straftat stattgefunden habe. Dies aber sei „nicht mehr sachgerecht“.

Zudem liegen die Hürden für die Telefonüberwachung laut Lubomierski in dem Gesetzesentwurf so niedrig, dass sie einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes entgegenstünden. Damit wirft Hamburgs oberster Datenschützer dem Senat faktisch Rechtsbruch vor. Nicht hinnehmbar sei zudem, dass die Gesetzesnovelle zahlreiche Möglichkeiten schaffe, observierte Personen dauerhaft nicht über die erfolgten Abhör- oder Wohnraumüberwachungsmaßnahmen zu informieren. Damit werde ihnen das Recht genommen, die angeordneten Maßnahmen zumindest im Nachhinein überprüfen zu lassen.

Heute im Innenausschuss

Auf der heutigen Sitzung des bürgerschaftlichen Innenausschusses will Lubomierski seine Kritik öffentlich darlegen. Doch möglicherweise könnte der Datenschutzbeauftragte ausgebremst werden, da, so Haase, „nur Verfahrensfragen erörtert werden sollen“. Der Behördensprecher schließt zudem aus, „dass der Senat bei dem Gesetz zurückrudern“ werde. Lediglich einzelne Detailpunkte seien „im parlamentarischen Prozess noch veränderbar“. Die massive Kritik des Datenschutzbeauftragten dürfte damit weitgehend ins Leere laufen.

Die SPD sieht sich unterdessen durch Lubomierski in ihrer Kritik am neuen Polizeirecht, das „über‘s Ziel hinausschießt“, bestätigt und fordert den Senat auf, die „geäußerten Bedenken ernst zu nehmen“. SPD-Innenexperte Andreas Dressel warnt: „Die Liberalität Hamburgs bleibt bei wesentlichen Eingriffen in Freiheitsrechte der Bürger auf der Strecke.“

Auch der GAL-Innenexperte Till Steffen „teilt die Bedenken des Datenschutzbeauftragten“. Es sei „empörend, wie nassforsch der Senat bei dem Gesetzentwurf mit der Rechtssprechung zum Lauschangriff umgegangen“ sei. Nicht weniger empörend sei aber auch, „dass sich die Innenbehörde über alle Datenschutzbelange kaltschnäuzig hinweggesetzt habe“.

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