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Schily sagt dem Tourismus den Kampf an

Wer ab Herbst einen neuen Reisepass braucht, muss dafür tief in die Tasche greifen. Die Kosten für die Ausweise mit Biometrie-Chip soll „in vollem Umfang“ der Bürger tragen, sagt das Innenministerium. Abgeordnete warnen vor Preisen bis 130 Euro

„Passgebühren von 130 Euro sind nicht vermittelbar“

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Wer zum Jahresende eine Fernreise plant, sollte bald ein zusätzliches Sparschwein aufstellen. Im Herbst will Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) biometrische Reisepässe einführen. Zunächst soll ein Chip mit digitalisiertem Lichtbild auf die Ausweise kommen, später auch ein digitalisierter Fingerabdruck. Das, so die Begründung, hebe die Fälschungssicherheit der Pässe auf ein „völlig neues Niveau“. Nun aber stellt sich heraus, dass das umstrittene Mehr an Technik die Bürger obendrein teuer kommt.

Mit einer Gebühr von bis zu 130 Euro für den Pass müssen Antragsteller demnächst rechnen, warnt die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Silke Stokar. Das wäre das Fünffache des aktuellen Preises von 26 Euro. Laut Stokar wurde die Kalkulation bei einer nichtöffentlichen Sitzung des Innenausschusses im Herbst vorgelegt. Von wem, verrät die Abgeordnete nicht.

Schilys Haus treibt seit Monaten auf europäischer Ebene die Einführung der aufgerüsteten Pässe voran. Fragen nach den Kosten weist das Ministerium jedoch als verfrüht zurück. Noch sei nicht einmal der Auftrag für den Druck der Pässe vergeben, sagte gestern ein Sprecher Schilys: „Niemand kann derzeit sagen, was die Reisepässe kosten werden.“ Bereits in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP hatte das Ministerium nur mitgeteilt, die Ausstellungskosten für die neuen Reisepässe würden „wie auch jetzt schon in vollem Umfang“ auf die Bürger umgelegt. Die Gebühren sollten sich „im international üblichen Rahmen bewegen“. Was das heißt? Das könne er aus dem Stand nicht sagen, bedauert Schilys Sprecher.

So blieb gestern viel Raum für Zahlenspiele. Laut der FDP-Bundestagsabgeordneten Gisela Piltz ist „hinter den Kulissen“ von einem Preis auf „oberem europäischen Niveau“ die Rede – in Italien müssten die Bürger schon jetzt 300 Euro zahlen. Die Grüne Stokar berichtet, der US-Pass koste 115 Dollar.

Beim renommierten Münchner Unternehmen Giesecke & Devrient, das weltweit Chipkartenlösungen für Ausweise verkauft, hält man die befürchtete Gebühr von 130 Euro für das neue Passbuch hingegen für „viel zu hoch“. Ihre Firma beteilige sich derzeit an Ausschreibungen in anderen Ländern, sagt eine Unternehmenssprecherin der taz: „Dort liegen die Preise deutlich niedriger.“

Für Stokar wirft der befürchtete Rekordpreis der Biometriepässe weniger soziale denn sicherheitspolitische Fragen auf. Wer so weite Reisen mache, dass er einen Pass brauche, der gehöre in der Regel nicht zu den Ärmsten. Angesichts des fragwürdigen Sicherheitsgewinns frage sie sich aber, ob die Bürger für die Pässe mehr zahlen wollten.

Die Prognose des Bundes der Steuerzahler ist klar: „Eine Größenordnung von 130 Euro ist nicht vermittelbar.“ Laut Bernhard Zentgraf vom Landesverband Niedersachsen läge Schily mit dem Preis allerdings im Trend: Denn ob der leeren Kassen versuchten staatliche Stellen zunehmend, den „Gebührenrahmen“ maximal auszuschöpfen.

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