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Nie wieder Deutschland in Deutschland

15 Jahre antideutsche Linke. Grund genug, die seltsame Bewegung kritisch zu analysieren. Der Sozialwissenschaftler Gerhard Hanloser hat dazu ein Buch herausgegeben und lädt heute Abend zur Diskussion nach Essen

Nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus und der daraus folgenden Vereinigung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten stand vor allem die westdeutsche Linke vor einem Scherbenhaufen: desillusioniert, ratlos, zersplittert. Gerade das Verhältnis zum wieder vereinten Deutschland bereitete den meisten Protagonisten schwere Probleme. Die Grünen entledigten sich ihres Fundiflügels, Autonome und übrig gebliebene K-Grüppler spalteten sich an der Gretchenfrage: Wie hältst du‘s mit der Nation?

Die „Radikale Linke“ hatte ihre eigene Antwort darauf: „Nie wieder Deutschland“ hieß ihr Slogan. 15.000 Menschen zogen am 12. Mai 1991 durch die Straßen Frankfurts – gegen den neuerlichen Griff des erstarkten „Großdeutschlands nach der Weltherrschaft“, unter dem Eindruck der aufkommenden rechten Gewalt gegen Migranten. Zirkulare wie konkret, bahamas und 17 Grad lieferten den Lesestoff. Im Nachhinein wurde schnell deutlich, dass die Bewegung mit der Demonstration ihren Höhepunkt bereits hinter sich hatte. Die antinationale bis antideutsche Linke zerfaserte in der Folge in etliche, untereinander zerstrittene Gruppen. Heute wirken die Antideutschen nur noch in Form marginalisierter Sekten nach.

Das von Gerhard Hanloser herausgegebene Buch, „Sie waren die Antideutschesten der deutschen Linke“ – Zur Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik, befasst sich kritisch mit den Zuständen und Inhalten dieses Teil der „deutschen“ Linken. Die Autoren des Buches setzen sich chronologisch mit den politischen Prozessen auseinander und analysieren die verquere Logik, mit der die Antideutschen den zweiten Golfkrieg unterstützen und ihre unkritische, bedingungslose Identifikation mit dem Staat Israel erklären. Das Buch wird mittlerweile in der Linken kontrovers diskutiert. Heute Abend lädt Herausgeber Gerhard Hanloser nach Essen.

HOLGER PAULER

19:30 Uhr, Zeche Carl, EssenInfos: 0201-8344418

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