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Spiel mir das Lied vom Tor

Nimmt man die gesteigerten Ambitionen des HSV zur Rückrunde der Fußballbundesliga ernst, werden die Fans von nun an häufiger mit unterklassigen Tormelodeien konfrontiert

von René Martens und Oke Göttlich

Über die musikalischen Vorlieben von Fußballern ist immer wieder mal gewitzelt geworden, seitdem Matthias Sammer bekannt hat, er möge die Sängerin Nicole („Ein bisschen Frieden“). Das Vorurteil, Profikicker seien, was Musik betrifft, grundsätzlich unterbelichtet, widerlegten dann später der ehemalige Duisburger Rackerer Joachim Hopp, der nebenbei als House-DJ unterwegs war, und nicht zuletzt Mehmet Scholl, der Compilations mit netter Indiemucke zusammenstellte. Bei Heimspielen des HSV läuft seit Saisonbeginn das Lieblingslied des Torschützen als Jubel-Untermalung. Musikalisch sind die Spieler eher Sammer-Typen, von Hopp und Scholl weit entfernt. Zudem passt der hohe Anteil deutscher Musik nicht so recht zu den internationalen Ambitionen des Klubs.

Martin Pieckenhagen: „Wild Thing“ (Tone Loc): Wenn der Torhüter doch bloß Stürmer wäre.

Björn Schlicke: „Welcome to the jungle“ (Guns `N Roses). Wenigstens nicht ganz peinlich.

Christian Rahn: Torjubel Bern 1954 (Herbert Zimmermann). Wer weiß, was für ein Musikstück er sich ausgewählt hätte. Insofern hebt der linke Mittelfeldspieler sich angenehm von seinen Kollegen ab.

Bastian Reinhardt: „Augen auf“ (Oomph!). Hat er dies wegen einer vermeintlichen Fußball-Anspielung im Text ausgesucht: „Wieder lieg ich auf der Lauer / Denn wir spielen unser Spiel“? Derzeit spielt Reinhardt nicht sein Spiel, sondern liegt nur auf der Lauer, meint: sitzt auf der Bank.

Daniel van Buyten: „Come with me“ (Puff Daddy). Stimmig. Das Stück hat, vor allem dank des Led-Zeppelin-Samples, etwas Machtvolles und das passt zur Ausstrahlung des HSV-Kapitäns.

Raphael Wicky: „Hey, Hey, Wickie!“ (Titelmelodie der Zeichentrickserie). Alte Stig-Töfting-Anbeter finden das vielleicht nicht witzig, denn eine Variation dieses Liedes hatten die HSV-Fans einst dem dänischen Mittelfeld-Rabauken gewidmet: „Zieh, zieh, Sticky / Zieh, Sticky, zieh! / Zieh fest den Ball nach vorn.“

Almani Moreira: „Shake ya ass“ (Mystikal). Der Rapper glaubt für das Kurvenschütteln bei knapp bekeideten Girls zuständig zu sein. Vielleicht sollte sich Moreira lieber um Fußbälle kümmern, um die (Fan-)Kurven zum Wackeln zu bringen.

Sergej Barbarez: „Das ist wie fliegen“ (Lotto King Karl). Ein Spieler musste wohl dran glauben, damit wenigstens ein Song des Hamburger Dumpfbarden und HSV-Stadionsprechers Lotto King Karl im Tormelodienrepertoire vorkommt. Nicht wenige hoffen, dass Barbarez in der Rückrunde nicht mehr trifft.

Benjamin Lauth: „Lauth anhören“ (Sportfreunde Stiller). Geschmackssichere aber nicht ganz egolose Auswahl.

Sascha Kirschstein: „The final countdown“ (Europe). Falls die These, dass Berufsfußballer keine Jugend hatten, noch eines weiteren Beweises bedurfte: Hier kommt ein besonders erschütternder. Wie kann man mit 24 solche Musik hören? Um es mit der Band Die Sterne, die eher dem FC St. Pauli zugeneigt ist, zu fragen: „Was hat dich bloß so ruiniert?“

Leonard Haas: „Vamos a la playa“ (Righeira). Die Discohymne aus dem Jahr 1983. Da war Haas gerade ein Jahr alt. Ganz schön früh, um seine musikalische Wahrnehmungen einzufrieren. Vielleicht mag er den zynischen Text, der eine postnukleare Strandapokalypse beschwört. Doch wer glaubt, dass er mehr als den Refrain mitsingen kann?

René Klingbeil: „Sonderzug nach Pankow“ (Udo Lindenberg). Siehe auch Barbarez und Beinlich. Die Vorliebe für deutsches Volksliedgut zwischen Bierzelt- und Schenkelklopfmucke ist bei den Rothosen stark ausgeprägt. Wäre Klingbeils Wahl auf Lindenbergs Fußballer-Lied „Bodo Ballermann“ gefallen, hätten wir ihm das ja durchgehen lassen.

Dondé: „Copacabana“. Allein der Sportredakteur dieser Zeitung hat ungefähr dreihundert Singles zu Hause, die dem Brasilianer eine schönere Erinnerung an die Heimat wären.

Oliver Hampel: „Eye of the tiger“ (Survivor). „Rocky“, Alder! Leider unoriginell, ey!

Mustafa Kucukovic: P.I.M.P (50 Cent). Ein frühreifer Stürmer mit bereits voll ausgeprägten Starallüren. Hoffentlich nimmt sich das junge Talent kein allzu großes Beispiel an seinem Musikidol. Wird 50 Cent doch nachgesagt ein guter Studiorapper zu sein, der auf der Bühne schwächelt... Und neun Kugeln sollen Mustafa bitte nicht treffen, bevor er seinen Durchbruch schafft.

Khalid Boulahrouz: „Traffic“ (DJ Tiesto). Eine ausnahmsweise vernünftige Wahl. Der niederländische Trance-DJ Tiesto machte im vergangenen Sommer die Eröffnungsfeier der olympischen Spiele in Athen anhörbar.

Stefan Beinlich: „Pure Lust am Leben“ (Geier Sturzflug). Der Gassenhauer mit dem „Eins kann mir keiner ...“-Refrain. In einer wichtigen Phase seiner musikalischen Sozialisation (bis zum 17. Lebensjahr) lebte Beinlich von der Pop-Welt isoliert in der DDR. Aber nicht mal das ist eine Entschuldigung für diese Geschmacksverirrung.

Stefan Wächter: „Feuer frei“ (Rammstein). Wer sich den Geist von Mystik dieser Preisklasse vernebeln lässt („Gefährlich ist, wer Schmerzen kennt / Vom Feuer, das den Geist verbrennt“), kann kein guter Keeper sein.

Miso Brecko: „Simply the best“ (Tina Turner). Hat er das von Mutti? Ansonsten siehe Kirschstein.

Emile Mpenza: „Yeah!“ (Usher) Mehr als Klingeltöne seines Handies hört der belgische Torjäger sowieso nicht. Ob der HSV ihm mal ein neues Realtone-Abo besorgen könnte?

Collin Benjamin: „In da Club“ (50 Cent). Jugendsünde, siehe Kucukovic, auch wenn Benjamin Mittelfeldspieler ist.

Naohiro Takahara: „Kung fu fighting“ (Carl Douglas). Leider im Original, das Oldie 95 und andere Seniorenheim-Beschaller längst zu Tode gespielt haben. Wenn es wenigstens einer der Remixe von Kid Loco oder Seeed gewesen wäre!

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