: Die Caudillos im Clinch
von GERHARD DILGER
Auf den ersten Blick könnten die zwei Staatschefs kaum unterschiedlicher sein: Hugo Chávez – ein temperamentvoller, linksnationalistischer Volkstribun, der versucht, Venezuela durch eine „Revolution“ im Namen der Armen umzukrempeln. Und Álvaro Uribe – ein spartanischer Technokrat, der Hand in Hand mit Washington der Farc-Guerilla in Kolumbien den Garaus machen möchte.
Und doch sind sich beide Caudillos ähnlicher, als sie es sich wohl selbst eingestehen: Sie lieben patriotischen Budenzauber, verachten herkömmliche Parteipolitik und führen ihr Land wie Feudalherren. Beide gelten als autoritäre Überzeugungstäter. Und trotz aller ideologischen Differenzen hatten sie sich im letzten Jahr angenähert und ganz pragmatisch ihre Wirtschaftsbeziehungen ausgebaut.
Das Bedauern in Chávez’ Stimme, als er am vorigen Freitag verkündete, er habe den Botschafter aus Bogotá abberufen und den geplanten Bau von zwei Pipelines für Gas und Erdöl auf Eis gelegt, war echt. Uribe müsse sich für die Verletzung von Venezuelas Souveränität entschuldigen, forderte Chávez. Stunden später kam die Antwort. „Das kolumbianische Volk hat das Recht, sich vom terroristischen Albtraum zu befreien“, hieß es in einer von den USA ausdrücklich unterstützten Erklärung. Bis Sonntagabend schaukelte sich das verbale Hin und Her auf und gipfelte schließlich in Uribes Vorwurf, Venezuela gewähre „Terroristen“ Unterschlupf.
Auslöser für die Krise war die Entführung von Rodrigo Granda, eines hochrangigen Rebellen der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Farc), mitten in Venezuelas Hauptstadt Caracas. Mittlerweile steht fest, dass er von venezolanischem Militär umgehend zur Grenze gebracht wurde. Zwei Tage später, am 15. Dezember, verkündete dann die kolumbianische Polizei stolz, den Farc-„Außenminister“ in der Grenzstadt Cúcuta festgenommen zu haben.
Lange sah es danach aus, als wollten Chávez und Uribe den Vorfall stillschweigend begraben. Doch dann musste Kolumbiens Verteidigungsminister Jorge Alberto Uribe einräumen, Bogotá habe eine Belohnung für die Ergreifung Grandas bezahlt. Venezuelas Innenminister Jesse Chacón hingegen sagte, auch drei kolumbianische Polizisten seien direkt an der Aktion beteiligt gewesen. Kriminalität dürfe nicht mit kriminellen, völkerrechtswidrigen Methoden bekämpft werden, argumentiert jetzt Chávez.
Bogotá und Washington haben sich auf die vermeintliche Nähe des Linksnationalisten zu den Farc eingeschossen, die sich ebenso wie Chávez in der Nachfolge des antikolonialen „Befreiers“ Simón Bolívar (1783–1830) sehen. Doch Chávez ist schon seit längerem merklich auf Distanz zu den Farc – sehr zum Unmut der Guerilla-Fangemeinde.
Chávez hatte anfangs noch Gesprächsbereitschaft gezeigt und seinen „Freund“ Uribe öffentlich zu einem „Spaziergang“ in seine Heimatprovinz Barinas eingeladen. Doch der verschärfte die Gangart erneut. Man werde nachweisen, wie Granda von venezolanischen Funktionären geschützt worden sei, so die Erklärung vom Sonntagabend: „Durch die Beherbergung von Terroristen wird die Souveränität Kolumbiens verletzt.“ Aus Washington kam Rückendeckung. Chávez sei ein „echtes Problem“, zitierte die Washington Post die künftige Außenministerin Condoleezza Rice.
Die südamerikanischen Nachbarn wollen nun vermitteln. Perus Außenminister ist bereits nach Caracas und anschließend nach Bogotá geflogen. Und auch der brasilianische Präsident Lula hat sich als Vermittler angeboten, sobald eines der beiden Länder darum bitte. Heute kommt er – wie schon länger geplant – mit Uribe am Amazonas zusammen.
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