: In die Untersuchungshaft mit Röntgenbild?
Noch ist die Bremer Linie zur Beweissicherung beim Drogendeal umstritten. Doch signalisiert das Justizressort „Optimismus“, dass Verdächtige in U-Haft kommen können. Den „dringenden Tatverdacht“ als Voraussetzung könnte ein Röntgenbild erbringen. Voraussetzung: Der Beschuldigte hält still
bremen taz ■ Zu Turbulenzen im Rechtsausschuss kam es gestern, als der Grüne Rechtspolitiker Jan Köhler zum Tagesordnungspunkt „Brechmittel“ sprach. Das jahrelange Verfahren entspreche streng genommen nicht rechtstaatlichen Grundsätzen, führte der Grünen-Politiker aus. Die Aufgabenverteilung zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft „funktioniert offenbar nur sehr eingeschränkt“, insofern die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen offenbar alleine der Polizei überlassen habe und nicht erkennbar als „Herrin des Verfahrens“ auftrete.
„Wer Hund und wer Schwanz ist“, zeige sich beispielsweise auch daran, dass der Ärztliche Beweissicherungsdienst als ausführendes Organ selbst „Regelungen getroffen hat, die die Praxis verändert haben“, so Köhler. Wann denn der Senator davon erfahren habe? Und ob die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen die als Drogendealer Beschuldigten überhaupt regulär einleite und einstelle? Zudem sei die Vergabepraxis verfassungsrechtlich fraglich, wenn wie im Jahr 2002 den Beschuldigten schwerwiegende körperliche Eingriffe zugemutet würden – in 38 Prozent der Fälle aber gar keine Beweise erbrochen würden. „Eine Schluckbewegung, die jemand macht, der fünf Polizisten auf sich zukommen sieht“, begründe angesichts dieser Quote keinen dringenden Tatverdacht.
„Sie wissen ja gar nicht, wovon Sie reden“, rief erbost der CDU-Abgeordnete und gelernte Polizist Rolf Herderhorst. Sein Parteikollege Erwin Knäpper rügte sogar, dass der Grünen-Politiker den Rechtsausschuss des Parlamentes nutze, „um hier Ihre Meinung kund zu tun!“ Strategisch bestand auch er auf der bisherigen CDU-Linie, den Ausgang der Ermittlungen über die Todesursache des Mannes aus Sierra Leone nach Brechmitteleinsatz abzuwarten. CDU-Pressesprecher Michael Ihly bekräftigte: „Bevor man die Ursache des Todes nicht kennt, kann man keine Schlüsse ziehen.“ Heute wird sich der CDU-Fraktionsvorstand mit dem Thema befassen. Gestern mehrfach betonter Koalitions-Konsens ist lediglich: „Drogenhandel muss mit allen rechtstaatlichen Mitteln verfolgt werden.“
Weitere Aufklärung forderte auch der SPD-Abgeordnete und Richter Wolfgang Grotheer. Zuvor hatte Justizstaatsrat Ulrich Mäurer erklärt, der mit der Obduktion beauftragte Berliner Experte habe zu Wochenbeginn weitere Untersuchungen veranlasst. „Ergebnisse zur genauen Todesursache liegen noch nicht vor.“ Freiwillig sei Brechmittelvergabe aber weiter möglich, betonte Mäurer. Unterdessen forderte Grotheer: „Nicht mehr anwenden.“ Das Risiko sei bei gewaltsamer Vergabe nicht beherrschbar. Auch sei unter dem Zeitdruck, die Beweismittel noch aus dem Magen sicher zu stellen, keine gründliche ärztliche Untersuchung möglich, um Schaden auszuschließen. Er gehe aber davon aus, dass Untersuchungshaft zur Beweissicherung angeordnet werden könne. Die Rechtsprechung aus den 90er Jahren, wonach Brechmittelvergabe weniger weitreichend als Haft sei, sei nach den Todesfällen nicht mehr haltbar. Einig war er sich mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt Dietrich Klein: Eine Röntgen- oder Ultraschallaufnahme von möglichen Drogen im Körper müsse dem Haftbefehl vorausgehen. „Darüber müssen die Gerichte entscheiden“, äußerte Staatsrat Mäurer, „aber letztlich bin ich optimistisch, dass wir da verstanden werden.“ ede
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