: Neues aus Ostelbien
Kanzler Schröder rettete der Weihnachtsgans „Doretta“ von Horst Möhrings „kleinem Biohof“ das Leben
Diese rührende Nachricht war 2002 in der taz zu lesen. Doch Möhrings Landwirtschaftsbetrieb in Lenzen bei Wittenberge ist in Wahrheit eine riesige LPG und Horst Möhring ihr Vorsitzender – nunmehr Geschäftsführer. Nach der Wende gelang es ihm, nahezu sämtliche 300 Mitarbeiter weiterzubeschäftigen. Seine heutige Gesellschaft zur Wirtschaftsförderung, Qualifizierung und Beschäftigung mbH beackert 4.700 Hektar, die Hälfte ist inzwischen auf „Bioland“ umgestellt, dessen Produkte, wie Wurstwaren und Säfte, über die Marke „Biogarten“ vermarktet werden. Daneben gibt es noch Versuchsfelder für mehrere Agrarforschungsinstitute des In- und Auslands, und es werden Arzneipflanzen und Färbepflanzen angebaut. Letztere benötigt die GWL-Filzmanufaktur, in der sieben Frauen beschäftigt sind: Sie verarbeiten die Wolle der GWL-eigenen Schafherde. Die Blumen des Naturlehrgartens dienen wiederum einigen Floristinnen der Nachwende-Kolchose zur Herstellung von „Flops“ (floristischen Objekten). Die Frauen haben ihre Arbeitsplätze im ehemaligen Lehrlingswohnheim am See, wo es auch einen „Direktverkaufsladen“ gibt, insbesondere für die Filzprodukte: Pantoffel, Damenhüte, Wandteppiche usw. Die Manufaktur wurde 1992 mit einem „internationalen Filzsymposium“ eröffnet, an dem Filzkünstler aus mehreren Ländern teilnahmen. Und auch heute noch sind dort „der Fantasie der Frauen keine Grenzen gesetzt“, wie uns die dortige Leiterin erklärte.
Eher der Fantasie der Männer ist dagegen der neue „Unternehmensverbund“ der Agrar-Holding Lenzen geschuldet: Er besteht derzeit aus sieben GmbHs und einer AG sowie aus zehn „Interessenverbänden“ in Form eingetragener Vereine, die in einem Zusammenspiel stehen mit diversen Institutionen – wie Landkreis, Naturwacht, Amt für ländliche Entwicklung und Biosphärenreservat, um nur einige zu nennen. Der allen gemeinsame Wirkungsraum ist die „elbnahe Region Lenzen/Lanz“. Und der „Unternehmensverbund“ bietet dafür laut Prospekt die notwendige „ländliche Vielfalt unter einem Dach“. Horst Möhring ist der Meinung: Auch und gerade heute braucht es „Visionen“ beim Wirtschaften.
HELMUT HÖGE
Die taz-Kolumne „Agronauten“ widmet sich ländlichen Visionären. Auf der Grünen Woche werden Wladimir Kaminer und Helmut Höge einige Texte vorlesen: am 28. Januar ab 18 Uhr und am 30. Januar ab 12.30 Uhr – jeweils in der Halle 23a
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