: Genial wie Lothar Vosseler
Albert, Albert über alles: Deutschland feiert 100 Jahre Einstein‘schen Zahlensalat
Ohne jeden beweisbaren Zweifel ist Albert Einstein das größte Denkergenie, das jemals in Ulm an der Donau geboren wurde und darüber hinaus. Er war verrückter Wissenschaftler, Frisurenrevolutionär und Frauenheld, er wurde gefeiert und verfemt, gekreuzigt, gestorben und begraben, er war schlecht in Chemie und mangelhaft in Erdkäs, so wurde er Physiker und veränderte die Welt. Oft wurde er mit Albert Schweitzer verwechselt.
Vor genau hundert Jahren veröffentlichte Schweitzer, quatsch: Einstein ein kleines Schwarzweiß-Inserat im Berner Anzeiger, in welchem er die bisher gültigen Newton’schen Grundsätze der Physik, sämtliche binomische Formeln und die amerikanische Verfassung für ungültig erklärte und die Schwerkraft für Flugapparate außer Kraft setzte. Der Siegeszug der modernen Luftfahrt und des Meilenkontos konnte beginnen.
Dabei war Einstein, der mittlerweile über eine ansehnliche Schnauzbartsammlung verfügte, nur deshalb Denker geworden, weil er zum Arbeiten zu faul war. Er dachte: Wenn der Wecker klingelt, ist es Zeit zum Aufstehn und Auf-Maloche-gehn, aber Zeit ist relativ, da dreh ich mich lieber noch mal rum.
Seine Ideen waren nicht aufzuhalten. Wenn heute am Morgen der Wecker klingelt, drehen sich in Sachsen-Anhalt 20,3, in Sachsen 17,8, in Berlin 17,6 und in Mecklenburg-Vorpommern sogar 20,5 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung noch mal rum, während in Bayern 93,1 und in Baden-Württemberg 93,8 der Bevölkerung in die Betriebe ziehen, um Ostdeutschland mit Raum und Zeit zu versorgen.
Einstein machte den Denkerberuf populär, vor ihm gab es, außer Nietzsche, keine fröhlichen Wissenschaftler. Als manische Denker gelten heute hingegen Klaus Theweleit, Peter Glotz und, wenn Not am Mann ist, auch Lothar Vosseler, der kryptogenetische Kanzlerbruder.
Er – also Einstein jetzt wieder, Vosseler ja wohl kaum – erfand das Raum-Zeit-Kontinuum, das sich heute von den Äußeren Hebriden bis kurz hinter Erfurt erstreckt und äußerst schwer zu berechnen ist. Wer mit Hilfe eines ausgebildeten Quantenmechanikers in ein geschlossenes Raum-Zeit-Kontinuum gerät, hat den Eindruck, in einer immerwährenden Sabine-Christiansen-Talkrunde gefangen zu sein. Eine Taschenuhr, die in die Nähe einer christiansenabstrahlenden Braun’schen Röhre gerät, bleibt unwillkürlich stehen. Ist Uri Geller in der Sendung zu Gast, geht sie sogar kaputt.
Dies sind merkwürdige Phänomene, die sich Megamastermind Al Einstein einfach so ausgedacht hat. Erst durch ihn wurde es möglich, die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit in nur einer Stunde zu bewerkstelligen. In Amerika half Einstein bei der Entwicklung des Atombusens, einer mörderische Waffe, die zum Beispiel Michaela Schaffrath den beispiellosen filmischen Erfolg beschert hat, von dem Angela Merkel heute noch träumt.
Außerdem war Einstein der Erste, der das Phänomen des gekrümmten Raumes beschrieb. Der gekrümmte Raum ist schwer zu erklären, er ist ein Axiom, eine kühne Hypothese, eine kosmogonische Hypotenuse, ein Hirngespinst, das grausame Wirklichkeit wird, wenn man erst einmal im Rahmen eines Selbstversuchs mehrere Liter Pilsbier, zwei Korn, vier Absinth, ein Schörlchen, noch vier Absinth und ein Weißbier mit Schuss zu sich genommen hat. Dann merkt selbst der ungeschulte Laie, dass der Raum plötzlich so komische krumme Bewegungen macht, schrumpft doch in einem gekrümmten Raum die Zeit nahezu gegen null, während umgekehrt die Zeit zwischen Aufgabe der Bestellung und Eintreffen des neuen Getränks endlos erscheint.
In nur einer einzigen Nacht erfand Einstein die allgemeine und, als Bonustrack, die spezielle Relativitätstheorie, die deswegen so heißen, weil die eine relativ schwer zu verstehen ist und die andere ein ganz spezieller Fall für sich.
Die Relativitätstheorie erklärt sich durch ein einfaches, aber simples Gedankenexperiment: Ein auf einer Lichtwelle reitender Mann überholt einen mit 250 Stundenkilometern dahinbrausenden ICE auf der Strecke Braunschweig–Berlin. Im ICE steht ein Mann, der beobachtet, wie ein Lichtstrahl von der Decke auf den Boden des Zuges hinabfällt. Oh, denkt der Mann, der Lichtstrahl! Runterfallt und putt. Armer, armer Lichtstrahl! Dieser Mann, legt man Einsteins Relativitätstheorie zugrunde, ist aller Voraussicht nach Lothar Vosseler, obwohl das relativ unwahrscheinlich ist, weil Lothar Vosseler sogar zum Zugfahren noch zu blöd ist.
Durch einen relativ simplen Rechentrick wird die Sache aber rund und stimmig: Man muss bei diesem Gedankenexperiment lediglich die Weltformel anwenden. Aber die – Ironie der Geschichte! – kennt noch gar keiner. Einstein, der nur zehn Prozent seines Hirns selbst nutzte und den Rest untervermietete, hat sie bis zu seinem Tod 1955 in Princeton vergeblich gesucht. Auf dem Schrank, unterm Bett, im Labor. Nun aber ist Klaus Theweleit gefordert. Oder der Glotz. Und wenn Not am Mann ist, auch Lothar … – obwohl, nein. Dann lieber Peter Schweitzer, quatsch: Glotz. OLIVER MARIA SCHMITT
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