: Die Wette ist faul
Der DFB blieb lange arglos. Dabei hat Wettbetrug im internationalen Fußball enorme Dimensionen
VON MATTI LIESKE
Hübscher kann sich ein sportlicher Kriminalfall den Ermittlern eigentlich kaum darbieten. Da ist ein Pokalspiel mit äußerst erstaunlichem Verlauf und Ausgang. Da ist ein Schiedsrichter, der eine Fülle merkwürdigster Entscheidungen trifft. Und da ist der Wettanbieter Oddset, der mitteilt, dass es hohe Einsätze genau auf diesen erstaunlichen Verlauf gegeben habe. Aber erst fünf Monate nach diesem Match (SC Paderborn–Hamburger SV 4:2) und erst nach dem spektakulären Auffliegen des betreffenden Schiedsrichters, teilt eine Staatsanwaltschaft mitteilt, sie werde prüfen, ob ein Anfangsverdacht bestehe.
Unter diesem Eindruck ist schwer vorstellbar, dass in diesem Land jemals irgendein Wettbetrüger gefasst wird. Zumindest wenn er den Mund hält, was Schiedsrichter Robert Hoyzer offenbar nicht beherzigte. Ihn zeigten seine Berliner Schiedsrichterkollegen Lutz Michael Fröhlich, Manuel Gräfe, Olaf Blumenstein und Felix Zwayer beim DFB an.
Damals in der Paderborn-Affäre stellte die Berliner Polizei ihre Ermittlungen genauso schnell ein, wie dies der DFB bei dieser Sache und im Dezember bei ähnlichen Verdachtsmomenten im Zusammenhang mit der Zweitligapartie Aue–Oberhausen tat. Die Arglosigkeit der Fußballverbände und Behörden verwundert umso mehr, als der Wettbetrug im internationalen Fußball beachtliche Dimensionen angenommen hat. Wirkte der Fall des Liverpooler Torhüters Bruce Grobelaar, der sich Anfang der 90er-Jahre von der asiatischen Wettmafia bestechen ließ, noch leicht exotisch, hat es allein im letzten Jahre diverse Skandale auch im europäischen Fußball gegeben. In Portugal wurden 22 Verdächtige, darunter der Präsident des FC Porto, wegen Schiedsrichterbestechung verhaftet, in Italien flog ein Ring von Spielern und Schiedsrichtern auf, ebenso in Tschechien, wo sogar ein Klub mit eigenem Wettbüro in die Sache verwickelt war. Vor allem in den frühen Runden des Europacups stellen Wettanbieter immer häufiger verdächtige Einsätze fest. Spektakulärster aktueller Fall ist ein Uefa-Cup-Match, das Panionios Athen gegen Dinamo Tiflis nach einem 0:1 zur Halbzeit noch 5:2 gewann, zwei Tore fielen in der Nachspielzeit. Genau auf diesen Verlauf war in England viel Geld gesetzt worden.
Der Verdacht liegt nahe, dass kriminelle Organisationen gezielt versuchen, Spieler und Schiedsrichter zu bestechen. Es wäre naiv, zu glauben, dass diese ausgerechnet vor dem deutschen Fußball halt machen, auch wenn weiter ungeklärt ist, ob Robert Hoyzer allein oder in einem größeren Zusammenhang handelte. Die Variante, dass er einfach nur ein miserabler Schiedsrichter ist, wird jedenfalls zusehends unwahrscheinlicher.
Das Wettgeschäft hierzulande boomt wie nie zuvor, seit nicht nur die staatliche Wette Oddset im Geschäft ist, sondern dank einer Lücke im Einigungsvertrag fünf weitere Firmen mit alter DDR-Wettlizenz sowie Internetanbieter aus Österreich und England. 700 bis 800 Millionen Jahresumsatz spielt die Branche pro Jahr ein, die Gefahr von Manipulationen besteht vor allem bei den kaum zu kontrollierenden Internet-Unternehmen, die hunderte von Spielen von den obskursten Ligen bis zur deutschen Oberliga im Programm haben und bei denen man auf einzelne Partien, Spielverläufe, sogar gelbe Karten wetten kann. Oddset, das über 50 Prozent des Marktes abdeckt, lässt in der Regel nur Kombinationswetten von mindestens drei Spielen zu.
Anderen Wettanbietern ist das Monopolisierungsstreben von Oddset ein Dorn im Auge, sie machen den Marktführer dafür verantwortlich, dass die Wetter zu ausländischen Internetanbietern abgedrängt werden. Der Deutsche Buchmacherverband, dessen Mitglieder nur Pferdewetten offerieren dürfen, fordert klare gesetzliche Regelungen fürs undurchsichtige Geschäft und hofft auf eine Bundesverfassungsgerichts-Entscheidung zur Liberalisierung des Wettmarktes, die noch dieses Jahr fallen soll.
Dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) dazu beiträgt, Oddset das Wasser abzugraben, ist kaum zu erwarten. Dafür ist er viel zu verbandelt mit dem staatlichen Unternehmen, das nicht nur als Sponsor des Verbandes auftritt, sondern auch rund 30 Millionen Euro zum Etat des Organisationskomitees für die Fußball-WM 2006 beitragen will. Diese enge Bindung von Oddset und DFB wurde von anderen Wettanbietern auch unverhohlen als Grund für die laxe Reaktion des DFB-Kontrollausschusses auf Manipulationshinweise in der Vergangenheit vermutet.
Robert Hoyzer hat jetzt dafür gesorgt, dass die befürchtete schlechte Publicity geballt über die Fußballfunktionäre hereingebrochen ist. Geradezu hektisch rufen sie nun nach besserer Zusammenarbeit mit Wettunternehmen, stärkerer Kontrolle der Referees und dem anderswo selbstverständlichen Wettverbot für Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre. Zumindest der DFB scheint inzwischen einen Anfangsverdacht zu hegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen