: Der DFB fürchtet ein neues 1971
Auf keinen Fall soll die Hoyzer-Affäre das Ausmaß des berüchtigten Bundesligaskandals erlangen. Ein Jahr vor der WM droht schlimmer Image-Schaden
VON MATTI LIESKE
Vornehme Zurückhaltung gehört kaum zu den herausragenden Eigenschaften des Weltfußballpräsidenten. So hatte Sepp Blatter keine Scheu, zielsicher den Finger in die Wunde zu bohren, die der Schiedsrichterskandal dem deutschen Fußball zugefügt hat. Der Fifa-Boss äußerte sich nicht nur „schockiert“ über den „jungen, viel versprechenden Schiedsrichter“ Robert Hoyzer, der im Auftrag kroatischer Wettbetrüger Spiele manipulierte, sondern auch darüber, „dass seine Machenschaften während einiger Zeit unentdeckt geblieben sind“. Dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) empfahl Blatter leicht süffisant, „innerhalb der verbandseigenen Strukturen weitere Abklärungen vorzunehmen.“
Das klingt nach klarer Schuldzuweisung und lässt die Rufschädigung erkennen, die den deutschen Fußball ereilt hat – gerade, als er so schön Richtung Fußball-WM 2006 abheben wollte. Der geplanten Imagekampagne der Bundesregierung muss nun erst einmal eine Imagekampagne des Fußballverbandes vorausgehen, die am besten mit der restlosen Aufklärung der Affäre Hoyzer beginnen sollte.
Bisher ist die Strategie des DFB vor allem von der Hoffnung geprägt, dass der jetzige Skandal nicht jene Dimension erreichen möge, die der Bundesliga-Bestechungsskandal von 1971 hatte. Damals erlitt das Ansehen des Fußballs massiven Schaden, die Zuschauerzahlen gingen in den folgenden Jahren stark zurück. Das ist im aktuellen Fall kaum zu befürchten, solange die Sache hübsch zweit- und drittklassig bleibt.
Bisher sind weder die Erste Bundesliga noch prominente Spieler darin verwickelt. Bislang gibt es darauf keine Hinweise, ausschließen lässt es sich nicht. Immerhin hat Robert Hoyzer in seinem Geständnis am Donnerstag davon gesprochen, das weitere Personen involviert sind. Sein Anwalt räumte ein, dass es sich dabei auch um Spieler und andere Schiedsrichter handeln könne.
Die Illusion vom Einzelfall ist geplatzt, dennoch möchten Funktionäre und Manager der Profivereine nicht ganz von der schönen Vorstellung lassen, dass nur ein einziges schwarzes Schaf ihre schöne Herde in Verruf gebracht hat. Immer wieder wird trotz der zu erwartenden weiteren Enthüllungen das Vertrauen in die Schiedsrichterzunft beschworen, DFB-Präsident Theo Zwanziger fordert, man solle nicht „kollektiv ein Schiedsrichterwesen in Deutschland, das aus großartigen Persönlichkeiten besteht (…), verunglimpfen“. Eine Aussage, der genau jene Blauäugigkeit innewohnt, die so lange eine Entlarvung Hoyzers behinderte. Eine Naivität gegenüber den harschen Realitäten des Profisports, die sich auch darin ausdrückt, dass in den DFB-Statuten die Möglichkeit der Manipulation von Spielen überhaupt nicht auftaucht. Deshalb vermag auch niemand zu sagen, was mit den von Hoyzer verschobenen Partien geschieht. Der DFB-Präsident verstieg sich schließlich sogar zu der Aussage, der betrügerische Referee tue ihm leid, und fügte etwas kryptisch hinzu, es mache für Hoyzer keinen Sinn, „andere Schiedsrichter zu Unrecht zu belasten“. Frommer Wunsch.
Der Abschied vom althergebrachten Glauben an das Gute im deutschen Fußball fällt nicht leicht, deshalb tut sich der Verband schwer damit, rigorose Konsequenzen zu ziehen und dem Vertrauen in seine Schiedsrichter auch eine gehörige Portion leninistische Kontrolle beizugeben. Während die Deutsche Fußball-Liga (DFL) nach dem dubiosen Zweitliga-Spiel Aue gegen Oberhausen im Dezember aktiv wurde und nun in Zusammenarbeit mit dem weltweit operierenden Sportwetten-Überwacher Betradar ein Frühwarnsystem installiert, eiern der DFB und sein Schiedsrichterausschuss vor allem in der Frage der Wettverbote herum.
Solche Verbote gibt es im englischen Fußball, aber auch in anderen Ländern für Spieler und Schiedsrichter seit langem. In der Regel für Spiele mit direkter Beteiligung, in den USA generell für die eigene Sportart. Dass sich die Einhaltung solcher Verbote schwer kontrollieren lässt, trifft zwar zu, doch immerhin ist den Betreffenden klar, dass sie etwas Illegales tun und mit Sanktionen zu rechnen haben, wenn sie erwischt werden.
Erste konkrete Maßnahmen zur Vorbeugung weiterer Skandale seitens des DFB sind die kurzfristigere Ansetzung der Schiedsrichter (zwei statt vier Tage) und eine Ausweitung ihrer Beobachtung. Strikt abgelehnt wird die Einführung des Profischiedsrichters, der über Arbeitsverträge besser zu kontrollieren wäre. Gar keine Rede ist von einer Reform des Schiedsrichterausschusses, der für die Überwachung zuständig ist und im Fall Hoyzer glatt versagt hat. Bislang besteht dieser aus ehemaligen Schiedsrichtern, die mit den aktiven gut bekannt, wenn nicht sogar befreundet sind, und weist fast jede Kritik entrüstet zurück.
Am inbrünstigsten hat übrigens Franz Beckenbauer an der Theorie vom schwarzen Schaf gehangen. Darüber, dass momentan keiner mehr über die geringe Menge frei verkäuflicher WM-Tickets redet, vermag sich der Organisationschef der WM 2006 jedenfalls kaum zu freuen.
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