: Schock, lass nach
AUS BERLIN MATTI LIESKE
Skandale um manipulierte Fußballspiele gab es in letzter Zeit unter anderem in Italien, Portugal, Tschechien, China, Griechenland, Belgien und der Türkei. All diese Länder haben Deutschland jedoch etwas Entscheidendes voraus: Sie sind nicht Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Hierzulande scheint man ein zielsicheres Händchen dafür zu haben, seine größten Fußball-Skandale ausgerechnet dann auffliegen zu lassen, wenn man gerade einen besonders guten Eindruck machen will. Das war beim Bundesligaskandal 1971 so, als die WM 1974 erste Schatten warf, und das ist jetzt wieder so.
Dabei wollte man gerade so richtig Fahrt aufnehmen Richtung 2006. Mit Riesenpomp wurde das Maskottchen präsentiert – zur allseitigen Überraschung nicht Franz Beckenbauer, sondern ein löwenartiges Gebilde namens Goleo. Kanzler Schröder freute sich auf seine Imagekampagne, und sogar den Fußballern hatte der neue Bundestrainer Jürgen Klinsmann zumindest wieder gute Laune eingehaucht. Selbst das Kuddelmuddel mit den WM-Tickets schien einigermaßen glimpflich über die Bühne zu gehen, die Gier nach Karten war groß wie selten zuvor.
Dann kam Robert Hoyzer, und mit ihm tiefe Zerknirschung. „Einen Schlag ins Gesicht des deutschen Fußballs“ bemerkte Schalke-Manager Rudi Assauer, „unglaublichen Schaden“ räumte DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder ein. Sepp Blatter, der Präsident des Weltverbandes Fifa, versäumte es nicht, die Besorgnisse in Hinblick auf die WM noch zu nähren, und äußerte sich „schockiert“ über den Skandal. Manch Kommentator sah bereits die Gefahr des WM-Entzugs aufdämmern, oder zumindest ein tristes Turnier mit deprimierten Zuschauern, die auf Schritt und Tritt Schiebung und Betrug wittern. „Die Deutschen“, schrieb die Londoner Times bezüglich des Umgangs mit der Affäre, „sind in gewisser Weise exzessiv.“
Nach zwei Wochen Skandal ist erwiesen, dass mindestens vier Spiele der Zweiten und Dritten Liga sowie des Pokals manipuliert wurden, weitere Partien könnten noch folgen. Dennoch lassen die Reaktionen in anderen Ländern erkennen, dass die Rufschädigung so gewaltig nicht ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei der WM 2006 jemand über die Partie Ahlen-Burghausen ereifert, dürfte jedenfalls ziemlich gering sein.
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