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Geringe Erwartungen vor dem Nahost-Gipfel

Die israelische Regierung betrachtet die diplomatischen Bemühungen mit einer gewissen Zurückhaltung

JERUSALEM taz ■ So erfreulich die Entwicklungen im Nahen Osten nach dem Tod von Palästinenserpräsident Jassir Arafat bisher verlaufen sind – aus dem Blickwinkel der israelischen Regierung stellt sich nicht alles gar so rosig dar. So steht Premierminister Ariel Scharon der gestern begonnenen Nahost-Reise von US-Außenministerin Condoleezza Rice mit gewisser Ambivalenz gegenüber, und das, obschon Israel ihre Ernennung zur Nachfolgerin von Colin Powell fast euphorisch aufgenommen hatte.

Rice hatte im Vorfeld des am Dienstag in Ägypten stattfindenden Nahost-Gipfels erneut die Idee einer trilateralen Sicherheitskoordination aufgebracht. Ziel ist dabei in erster Linie, Israel an einer zu raschen militärischen Reaktion auf palästinensische Angriffe zu hindern.

Solange Arafat die palästinensische Politik bestimmte, stand das Weiße Haus hinter Scharon. Der neue Palästinenserpräsident Mahmud Abbas genießt indes im Gegensatz zu seinem Vorgänger Sympathien in den USA. Abbas, der heute mit Rice zusammenkommen will, steht für all das, was Washington stets von den Palästinensern verlangte: den Dialog anstelle der gewalttätigen Intifada, Reformen und Demokratie. Beide Seiten – die USA und die Palästinenser – streben eine rasche Rückkehr zum internationalen Friedensplan „Roadmap“ an.

Damit ist es Scharon nicht so eilig. Ginge es nach ihm, dann reichte der auf der Agenda stehende Waffenstillstand und der geplante Abzug aus dem Gaza-Streifen wie aus Jericho und weiteren vier Städten im Westjordanland erst einmal aus. Und natürlich die erwartete Wiederaufnahme voller diplomatischer Beziehungen zu Kairo und Amman. In früheren Ansprachen an das Volk hat er zwar wiederholt von „schmerzlichen Kompromissen“ und dem „Ende der Besatzung“ gesprochen. Ob eine Einigung über den Grenzverlauf, über die Zukunft der jüdischen Siedlungen und vor allem über Jerusalem zwischen Abbas und Scharon möglich ist, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Schon mit der Auflösung der so genannten Siedlungsvorposten, die ihm die Roadmap bereits in der erster Phase abverlangen würde, tut sich der Regierungschef schwer.

Der bevorstehende Gipfel ist ohne Zweifel weniger „historisch“ als das von US-Präsident Bush und dem jordanischen König Abdullah II. begleitete Treffen zwischen Scharon und Abbas vor eineinhalb Jahren in Akaba. Wenn damals der letzte konkrete Plan einer schrittweisen Friedenslösung auf der Agenda stand, so geht es im ägyptischen Scharm al-Scheich um nicht viel mehr als eine Zeremonie zu Ehren der erneuten Gespräche nach monatelanger Eiszeit. Die großen Themen bleiben vorläufig außen vor.

Bereits im Vorfeld des Gipfels konnten die beiden Konfliktparteien noch nicht einmal eine Einigung über eine Amnestie palästinensischer Sicherheitshäftlinge erreichen. Israels Vorschlag, bis Mai 900 Häftlinge auf freien Fuß zu setzen, stieß bei den Palästinensern auf Ablehnung, da die Namenslisten einseitig erstellt wurden. Es geht „nicht in erster Linie um die Zahl“ der zu entlassenen Palästinenser, erklärte Saeb Erikat, palästinensischer Minister für Verhandlungsangelegenheiten, gegenüber der „Stimme Israels“. Er fordert, gemeinsam über die Gefangenen zu beraten, die unter die Amnestie fallen sollen. Die Palästinenser lehnten es ab, erneut Prozesse „von Israel diktiert zu bekommen“. Immerhin einigten sich beide Seiten auf ein bilaterales Komitee, das den Streitpunkt im Anschluss an den Gipfel klären soll. SUSANNE KNAUL

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