klotz will sich verändern: Verständlich, aber strategisch falsch
Sie wird fehlen. Sibyll Klotz gehört als Fraktionsvorsitzende zum Abgeordnetenhaus wie der Gong zur Abstimmung. Und nicht nur das. Sie ist seit Jahren das Frauengesicht im Landesparlament, nicht bloß bei den Grünen. In der ersten Reihe des Plenums gibt es schlicht keine andere Chefin. SPD, PDS und CDU haben bloß Fraktionsvizes – das Sagen haben Männer. Sie war die nächstliegende Kandidatin für die grüne Spitzenkandidatur 2006. Dass Klotz stattdessen nach 15 Jahren im Landesparlament etwas anderes machen möchte, ist verständlich. Strategisch aber kommt ihre Absage zum falschen Zeitpunkt.
KOMMENTAR VON STEFAN ALBERTI
Lame Ducks nennt man in den USA Politiker, deren Tage gezählt sind, die man nicht mehr auf der Rechnung haben muss. Klotz ist alles andere als solch eine lahme Ente. Aber sie hat sich durch ihre vorzeitige Absage formell selbst dazu gemacht. Damit entwertet sie das Amt der Fraktionschefin.
Zwar hätte es nichts gebracht, den Posten jetzt abzugeben, damit sich eine mögliche Spitzenkandidatin darin warm laufen und bekannt machen kann – dazu bietet sich in der Fraktion niemand an. Durchaus möglich gewesen wäre aber ein abgestimmtes Vorgehen mit dem Grünen-Landesvorstand Ende 2005 oder Anfang des Wahljahres 2006. Dann hätte sie ihre Absage verkünden können, während gleichzeitig die Parteispitze – nach Grünen-üblicher Absprache mit den Gremien – eine mögliche neue Nr. 1 präsentiert hätte.
Klotz hat diese Möglichkeit verpasst, was einen leichten Schatten auf ihre lange Tätigkeit im Abgeordnetenhaus wirft. Ihre Ambitionen auf einen Senatsposten wird das nicht schmälern: Falls die Grünen 2006 bei Rot-Grün Klotz’ Fachgebiet Arbeit und Frauen erhalten, dürften sie an ihr nicht vorbeikommen.
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