piwik no script img

Der Mann, der den Volmer-Erlass „kalten Putsch“ nannte

Das Schleuser-Urteil des Kölner Richters Ulrich Höppner löste im vergangenen Jahr die Visa-Affäre aus. Heute schlichtet der 60-Jährige als Zivilrichter harmlose Fälle. Über das Urteil, in dem er dem Außenministerium die Begünstigung bandenmäßiger Schleuserei vorwarf, darf er nicht sprechen

KÖLN taz ■ „Wir wünschen noch einen schönen und sonnigen Tag“, verabschiedet sich Ulrich Höppner von Klägerin und Beklagtem. Es klingt fast ein bisschen ironisch. Schließlich kam man hier im Gerichtssaal zu keiner Einigung und es sieht nicht so aus, als hätten die klagenden Parteien Aussicht auf einen schönen Tag. Aber Höppner meint es ernst. In jeder der kurz aufeinander folgenden Verhandlungen, die er an diesem Nachmittag leitet, macht er deutlich, dass es Wichtigeres gibt, als sich um Kleinigkeiten zu streiten. „Nun vertragen Sie sich doch“, ermuntert er die beiden Männer, die sich treffen, weil der eine den anderen verleumdet hat. Unversöhnlich scheinen die emotionalisierten Kontrahenten. „So etwas sagt man doch nicht, nehmen Sie Ihre Aussage zurück“, gibt der Richter einen väterlichen Rat. Als sich die Streitenden die Hand reichen, strahlt Höppner und ruft freudig aus: „Das ist Rechtspflege!“

Dabei sollte man meinen, dass Ulrich Höppner selber Konflikte nicht scheut: Vor einem Jahr fällte der Mann, der heute am Kölner Landgericht harmlose Zivilkonflikte zu schlichten sucht, ein Urteil, dessen Folgen zurzeit den grünen Außenminister Joschka Fischer und seine Partei in die Bredouille bringt. Als Vorsitzender Richter der neunten großen Strafkammer verurteilte Höppner nach 44 Verhandlungstagen den Schleuserbanden-Chef Anatoli Barg zu fünf Jahren Gefängnis und blieb damit weit unter der möglichen Höchststrafe von zehn Jahren. Er begründete das milde Urteil damit, dass die Visa-Politik der Bundesregierung die bandenmäßige Schleuserei Bargs massiv erleichtert hätte. Dem Auswärtigem Amt, das im März 2000 auf Betreiben von Staatsminister Ludger Volmer die Botschaften anwies, über Visa-Anträge „im Zweifel für die Reisefreiheit“ zu entscheiden, warf Höppner „fachliche Inkompetenz“ und „politisches Fehlverhalten“ vor. Sein Unmut gipfelte in der Aussage, die politische Leitung des Außenministeriums betreibe einen „kalten Putsch“ gegen bestehende Gesetze. Prozessbeobachter bescheinigten Höppner damals ein lebhaftes Temperament. Ihm sei der Kragen geplatzt, als ein Zeuge aus dem Bundesinnenministerium beteuerte, er wisse nichts von Warnungen deutscher Sicherheitsorgane, dass die erleichterten Einreisebedingungen der organisierten Kriminalität Tür und Tor öffneten.

Heute wirkt der 60-Jährige äußerst entspannt. Jurist sei er mit Leib und Seele, sagt er. „Es gibt keinen schöneren Beruf als den des Richters“. Das gelte auch für den Vorsitz einer Zivilkammer, in die er unabhängig von dem Schleuserurteil gewechselt habe. Genau genommen war Höppner schon nicht mehr Strafrichter, als jenes am 9. Februar 2004 verkündet wurde. Das Alltagsgeschäft als Zivilrichter sei zwar etwas langweiliger, sagt er, aber dafür ruhiger.

Gern würde man auch mit ihm darüber reden, wie er es bewertet, dass erst der Staatsminister Ludger Volmer über den Stein stolperte, den er ins Rollen brachte und nun der Außenminister sich dreht und windet. Er dürfe sich nicht zu einem von ihm geleiteten Prozess äußern, erklärt er.

So bleibt auch Spekulation, ob das Urteil politisch motiviert war; ob es sich gar um einen persönlichen Racheakt handelte, wie böse Zungen unterstellten, weil ihm ein Ministerialposten versagt geblieben sei oder ob er rein formal juristisch entschieden hat. „Alles, was es dazu zu sagen gibt, steht im Urteil“, sagt der gebürtige Sachse. Dann wünscht er noch einen schönen Tag und meint es auch dieses Mal so.

CHRISTIANE MARTIN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen