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Der Pole darf nicht sprechen

Beim Treffen Bushs mit der EU gibt es ausgewählte Drei-Minuten-Reden: So wird Deutschland über den Iran und Ungarn über die Ukraine vortragen

VON MICHAEL STRECK (WASHINGTON) UND DANIELA WEINGÄRTNER (BRÜSSEL)

Die belgischen Gastgeber hatten sich Mühe gegeben, den in Europa so sehnlich erwarteten wiedergewählten US-Präsidenten angemessen zu empfangen. Im edlen „Concert Noble“, das sich der Adel Ende des 18. Jahrhunderts für seine Feste hat bauen lassen, hielt George W. Bush gestern seine erste Rede vor europäischem Publikum.

Zuvor hatte er sich mit dem belgischen Premier Guy Verhofstadt dreißig Minuten lang zum Vier-Augen-Gespräch getroffen. Dabei ergab sich wohl leider keine Gelegenheit, die Redetexte inhaltlich ein bisschen abzustimmen. Verhofstadt sprach vor allem über Armutsbekämpfung in Afrika und forderte ein starkes europäisches Verteidigungsbündnis, das auch die transatlantische Allianz stärken werde. Gern hätte man gewusst, wie der US-Präsident das Zusammenspiel zwischen Nato und europäischer Verteidigungspolitik einschätzt, doch er hatte von ein paar freundlichen Floskeln abgesehen nur den Nahen und Mittleren Osten auf dem Sprechzettel.

Zwischen Israel und Palästina, so Bushs Prognose, sei eine Lösung in greifbarer Nähe. „Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie eine weitere Generation im Heiligen Land in einer Atmosphäre von Gewalt und Hoffnungslosigkeit aufwachsen muss“, rief er den Zuhörern zu. Kommenden Monat werde Tony Blair in London eine Konferenz zusammenrufen, die Hilfestellung beim Aufbau eines demokratischen Palästinenserstaates organisieren wolle.

Demokratische Reformen könnten nicht von außen diktiert werden. Die Bürger müssten selbst aktiv werden. „Wir müssen die Reformer unterstützen – ob in Marokko, Bahrein, Irak oder Afghanistan.“ Auch Saudi-Arabien und Ägypten mahnte Bush zu mehr Demokratie. Syrien müsse aus dem Libanon abziehen. Im Konflikt um Irans Atomwaffenpläne befinde man sich noch in einem frühen Stadium diplomatischer Bemühungen. Es könne aber keine Handlungsoption ausgeschlossen werden.

Auch Russland müsse sich wieder stärker zur Demokratie bekennen. Seine Zukunft liege in Europa und in der transatlantischen Gemeinschaft. Am Ende kam Bush dann doch noch auf das Thema Armutsbekämpfung zu sprechen. Er setzte aber andere Akzente als Verhofstadt. „Statt Jahr um Jahr unfähige Regime zu subventionieren, müssen wir diejenigen Länder unterstützen, die Korruption bekämpfen und in Bildung und Gesundheit für ihre Menschen investieren.“

Heute Vormittag besucht Bush die Nato. Am Nachmittag wird er 90 Minuten mit den 25 EU-Chefs konferieren. Auch diese Veranstaltung ist nicht als streitbarer Dialog, sondern als freundliches Nebeneinanderher-Reden geplant. Zehn vorab ausgewählte Politiker werden die europäischen Kernanliegen darstellen. Deutschland wird über den Iran sprechen, Großbritannien über den Nahen Osten, die Niederlande über Terrorismus, Ungarn über die Ukraine und Frankreich über „Europas Rolle in der Welt.“ Unmut gab es im Vorfeld nicht über diese starre Regie, die keinen Platz für Gedankenaustausch lässt, sondern darüber, dass manche Länder wie zum Beispiel Polen überhaupt nicht zu Wort kommen sollen. Ein litauischer Diplomat kündigte an, sein Chef werde dann eben ungefragt zur Nachbarschaftspolitik Stellung nehmen.

Beim persönlichen Treffen zwischen Bush und Schröder am Mittwoch in Mainz geht es dann um mehr als warme Worte. In Sachen Irak hat sich die US-Regierung zwar mittlerweile damit abgefunden, dass Deutschland keine Soldaten in den irakischen Wüstensand schicken wird. Doch Bush dürfte auf Schröders Angebote zurückkommen, die Expertise Deutschlands beim Aufbau von Verwaltungen zu nutzen. Bereits Bushs Parteifreund Senator John McCain nahm Schröder beim Wort und schlug vor, Berlin könne helfen, das Innenministerium in Bagdad aufzubauen.

Die Bundesregierung äußerte sich bislang zurückhaltend. SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz sagte jedoch, Schröder wie auch Innenminister Otto Schily hätten grundsätzlich ihre Bereitschaft hierzu angedeutet.

Ob Bush und Schröder in Mainz das Kapitel einer Politikerfreundschaft aufschlagen, darf bezweifelt werden. Bush sagte zwar mit Blick auf den Irakstreit, „selbst die besten Freunde sind nicht immer einer Meinung“. Doch ist in Washington bekannt, dass die Chemie zwischen beiden nicht wirklich stimmt. Bush wird es wohl nicht endgültig verdauen, dass Schröder den Wahlkampf 2002 seiner Ansicht nach mit antiamerikanischen Ressentiments geführt und gewonnen hat. Und Schröder wird immer daran denken, wie ihn Bush im März 2001bei einem Besuch im Weißen Haus brüskierte, indem er das Kioto-Protokoll für irrelevant erklärte.

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