: SPD muss Arbeit beschaffen
Fieberhaft überlegen die Sozialdemokraten, wie sie im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen signalisieren können: Wir sorgen für Arbeitsplätze. Kommunen sollen zu Investitionen bewogen werden. Idee, 55-Jährige nicht mehr zu vermitteln, abgelehnt
VON ULRIKE WINKELMANN
Im Berliner Willy-Brandt-Haus, dem Sitz der SPD, erklärten sich Deutschlands führende Sozialdemokraten gestern gegenseitig die Sozialdemokratie. Denn im November gibt die SPD sich auf ihrem Karlsruher Parteitag ein neues Parteiprogramm. Dazu bedarf es der Klärung einiger Grundsätze. So sagte Parteichef Franz Müntefering: „Das Ziel der Vollbeschäftigung ist drängender denn je.“ Dazu gebe es „keine Alternative“.
Noch vor dem Parteitag jedoch wird am 22. Mai in Nordrhein-Westfalen gewählt. Es gilt als gesetzt, dass die SPD ohne NRW die Bundestagswahlen 2006 kaum gewinnen kann. Noch vor der Neuformulierung der Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert steht daher die Neuformulierung des Versprechens auf Vollbeschäftigung für die Wähler an Rhein, Lippe und Ruhr.
Der SPD-Spitze ist bewusst, dass die Wahl in Schleswig-Holstein am Sonntag auch deshalb beinahe schief gelaufen wäre, weil das Thema Arbeitslosigkeit im Wahlkampf umschifft wurde. Diesen Fehler, so heißt es aus Präsidiumskreisen, dürfe man nicht in NRW wiederholen. Auch Ministerpräsident Peer Steinbrück habe bemerkt, dass er allein mit seiner Person und dem Thema Bildung das größte Bundesland nicht gewinnen wird.
Schließlich wird die Lage nicht besser: Zum März soll sich die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen noch einmal erhöhen – auf rund 5,1 Millionen. Dies sind zwar vor allem statistische Effekte. Doch für die breite Öffentlichkeit buchstabiert sich die Umsetzung von „Hartz IV“ jetzt mit „Anstieg der Arbeitslosigkeit“. Kein Wunder also, dass seit Wochenbeginn ein Schwung von Vorschlägen die Runde macht, wie die SPD in NRW das Zeichen setzen könnte: Wir tun was.
Auffällig weich dementierte gestern Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Nachricht, dass ein „kommunales Investitionsprogramm“ geplant sei. Doch selbst wenn es keinen ganz großen Plan geben sollte, der mittelständischen Wirtschaft mit öffentlichen Investitionen Aufträge zu verschaffen – ein bisschen investiv will die SPD etwa auch ihr „Beschleunigungsgesetz“ verstanden wissen, erklärte der Arbeitsmarktpolitiker Klaus Brandner der taz. Mit diesem bereits vorbereiteten Gesetz soll Kommunen die gemeinsame Investition mit privaten Unternehmen in Straßen und öffentliche Bauten erleichtert werden (öffentlich-private Partnerschaften oder ÖPP).
Die meisten Kommunen – gerade die mit der hohen Arbeitslosigkeit – sind jedoch so pleite, dass sie auch zusammen mit der Privatwirtschaft keinen Stein bewegen könnten. In diesem Zusammenhang deutet Müntefering regelmäßig an, dass den Städten dank der Hartz-IV-Vereinbarungen nun mehr Geld zur Verfügung steht als gedacht. Sie bräuchten es ja nicht im Schuldendienst zu versenken. Offen ist, wie sich diese Anregung auf NRW auswirken könnte.
Auf klare Ablehnung von SPD wie CDU jedenfalls stieß der Vorschlag des Arbeitsagentur-Chefs Frank-Jürgen Weise, über 55-Jährige im Osten wieder aus der Jobvermittlung zu nehmen. Dies würde nicht nur „Hartz IV“ konterkarieren. Das Signal, dass Ältere erstens nicht gewollt werden und zweitens keine Chance haben, braucht die SPD nun gerade gar nicht. Schließlich will will sie auch für ihr neues Parteiprogramm das Thema Alter als „Chance“ aufgreifen.
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