: Monstrum für Millionen
Die Dresdener haben sich nach neunjährigem absurdem Streit für ein überteuertes Brückenkonstrukt entschieden. Dafür wird bei Kultur und Sozialem gestrichen
DRESDEN taz ■ Die teuerste Stadtbrücke Deutschlands kommt. Dafür stimmten die Dresdener am Wochenende bei einem Bürgerentscheid. 157 Millionen Euro soll eine neue Elbquerung kosten, und zwar an der breitesten, verkehrstechnisch kompliziertesten und landschaftlich sensibelsten Stelle des Dresdner Elbbogens.
1862 schon einmal erwogen, vor 40 Jahren, als es einen tatsächlichen Verbindungsbedarf zwischen den Industriegebieten im Norden und den neuen Beton-Schlafghettos gab, wieder entdeckt, seit 1996 umkämpft. Irrationale Hoffnungen richten sich auf Fortschritt und Verkehrsentlastung, obwohl Autos auf dieser Brücke die Elbe 20.000-mal häufiger am Tag überfahren werden als bisher.
Bislang verband die so genannte Waldschlösschenbrücke auch nicht, sondern spaltete. Das städtische Entwicklungsforum war zunächst für ein alternatives Konzept mit zwei kleinen Brücken, ein Workshop im Auftrag der CDU-Stadtführung später mehrheitlich pro Waldschlösschenbrücke. Ebenso die damals konservative Stadtratsmehrheit, die allerdings durch zahlreiche Klagen und einen Beschluss des seit 2001 linken Stadtrates wieder ausgehebelt wurde. Befürworter starteten daraufhin das Bürgerbegehren, das zum Bürgerentscheid führte. Das CDU-geführte sächsische Wirtschaftsministerium versprach der Stadt 96 Millionen Euro nur für diese Brücke.
Verkehrsökologe Udo Becker von der Uni Dresden wies stets auf den unter den Erwartungen gebliebenen Anstieg des innerstädtischen Verkehrs hin. Für ihn stand eine Grundsatzentscheidung zwischen der Gigantomanie einer amerikanischen Stadt und einer kleinteiligen intelligenten Verkehrsführung an. Diese Frage stellt sich umso mehr, als der durch die Brücke konzentrierte Verkehr zu erheblichen Belastungen sensibler Stadtteile führen wird.
Zu den Brückengegnern gehörten vor allem bildungsbürgerliche Schichten, Akademiker, Künstler und die „Szene“ der Äußeren Neustadt. Ihnen ist nicht entgangen, dass Dresden längst pleite ist, erst wenige Tage vor dem Entscheid wurde ein neuer Horrorkatalog von Streichungen im sozialen und kulturellen Bereich bekannt. „Sie bezahlen diese Brücke“, warnte ein Plakat. Die Befürworter um Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) triumphierten dennoch.
Thomas Friedlaender, Sprecher der Anti-Brücke-Initiativen, sieht den Bürgerentscheid dennoch gelassen. Wie schon nach dem ersten Spatenstich 2001 könnte die Brücke wieder an Klagen und vor allem an der Finanznot scheitern. MICHAEL BARTSCH
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