Berichte aus der politischen Tiefebene

Grüne Politiker erzählen auf dem Kommunalkongress in Hannover, wie sich Macht anfühlt. Manchmal wie ein Besuch beim Schützenfest. Die taz nord stellt drei Beispiele vor

Wer beim Kommunalkongress der Grünen in Hannover wissen will, wie es um den Zustand der kleinen gebeutelten Partei mittendrin im Fischer-Debakel steht, fragt wohl am besten Raimund Nowak. Der niedersächsische Grünen-Landeschef verweist zuversichtlich auf den anderen Großkopferten und sagt, da müsse man nur „dem Jürgen gleich zuhören. Wenn der nichts sagt“, so Nowak betonsicher, „dann steht es wohl ganz schlecht.“

Natürlich tut Jürgen Trittin keinen Mucks zur Causa Fischer. Lieber schwafelt der Minister, der sein Ressort leider wie „Umwöld“ ausspricht, händewedelnd von Klimaschutz und dem März 1980, als die Vorläufer der Ökopaxen bei ihren ersten Landkreiswahlen im Ammerland belächelt wurden – schließlich geht es an diesen zwei Tagen in Hannover um grüne Kommunalpolitik.

Etwa 200 Bündnis-Politiker aus Räten und Kreistagen im Nordwesten der Republik und solche, die es vielleicht werden wollen, sind zum Kongress „Stadt, Land, Grün“ gekommen. Derzeit gibt es nicht wenige Politologen, die den Grünen nach einer Abwahl im Bund die Rückkehr ins Nichts prophezeien, weil die konservativen Senioren mittelfristig bestimmen, wo es in den Parlamenten langgeht und weil es außer Joseph F. keine Figur mit Strahlkraft gibt. Natürlich sind sie bei der Europawahl mal wieder in vielen Stadtvierteln stärkste Kraft geworden, in Hannover holten sie sogar über 20 Prozent. Aber 2001, bei der letzten Kommunalwahl speckten die Grünen von 9,0 auf 6,7 Prozent ab.

Natürlich hätte Trittin einiges zur Plackerei in der politischen Tiefebene erzählen können, schließlich begann er 1982 selbst als Geschäftsführer der Ratsfraktion der Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste in Göttingen. Aber vielleicht ist er inzwischen selbst zu sehr Teil des Problems. Viel intensiver vermochte Karin Labinsky-Meyer die Geschichte vom kleinen grünen Wunder vorzutragen. „Wir sind umzingelt von Rot-Schwarz in Bremen und Gelb-Schwarz im Land Niedersachsen“, erzählt die stellvertretende Landrätin. Aber das „Herz der Region“, das 15.000 Einwohner zählende Städtchen Verden an der Aller, „das schlägt seit 18 Jahren Grün-Rot“. 1993 sei sie die erste grüne Kreisrätin Deutschlands gewesen. „Denkt daran“, triumphiert Labinsky-Meyer, „wir sind kein Anhängsel!“

Die Grünen sind für Labinsky-Meyer „Gestalter“. Sie haben den Widerstand gegen die Neonazis organisiert, die sich auf dem Heisenhof in Dörverden eingenistet haben. Sie haben ehemalige Bundeswehr-Gebäude zu Kulturzentren umgewandelt, haben Investoren, die „Biotope platt machen wollten“, in die Schranken gewiesen. Labinsky-Meyer: „Das Totschlagargument leere Kassen darf uns nicht schrecken!“

Dass man als Grüner nicht sagen darf, „Wirtschaft, die bösen Themen, das machen die anderen“, erfuhr Hans Mönninghoff am eigenen Leib. Nach 16 Jahren als Chef des Umweltressorts in der rot-grünen Stadtregierung von Hannover wollte Mönninghoff ein paar Monate in Übersee ausspannen, bevor er seinen neuen Posten als Superdezernent für Wirtschaft und Umwelt antrat. Resultat war eine „Hasskampagne“ der lokalen Medien im vergangenen Sommer, die Südsee-Hans „ganz, ganz tief unter der Gürtellinie“ traf.

„Die Kampflinie war immer: Grüne und Wirtschaft – das geht nicht zusammen“, hörte Mönninghoff. Noch nie habe er so viel gearbeitet wie in diesem ersten Monat als oberster Wirtschaftslenker. Und gleich gelernt, dass auch die Grünen Kröten schlucken müssen: Die Vorgesetzten forderten nämlich nicht nur perfekten öffentlichen Nahverkehr, sondern auch ein Ende der Staus. „Das hören die Grünen natürlich nicht so gerne.“

Auch Uwe Sternbeck ist „ja nicht nur Bürgermeister der Grünen, sondern der aller Bürger“. Das hat der 42-Jährige in dem knappen Jahr, seitdem er mit 29 Stimmen Vorsprung zum dritten grünen Bürgermeister in Niedersachsen gewählt wurde, internalisiert. Natürlich besucht Sternbeck das Schützenfest in Neustadt am Rübenberge, selbstverständlich redet er mit den stramm Bürgerlichen von „Haus und Grund“. Und er hat mit den Stimmen der im Rat dominierenden CDU und SPD schon den ersten Haushalt durchgeboxt, die Zahl der Referenten von fünf auf drei dezimiert.

Echt grüne Politik hat sich Sternbeck allerdings erst für das laufende Jahr vorgenommen: „Der alte Bürgermeister-Mercedes wird abgeschafft. Stattdessen kaufen wir ein Gasauto.“

Kai Schöneberg