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Zehn Euro vor dem Sozialgericht

Morgen beginnt Musterprozess um die Praxisgebühr vor dem Sozialgericht Düsseldorf. Kassenärztliche Vereinigung verklagte Mann, der die Gebühr nicht aufbringen kann

DÜSSELDORF dpa/taz ■ In einem Musterverfahren wird sich das Sozialgericht Düsseldorf am morgigen Dienstag mit der Praxisgebühr in Höhe von zehn Euro befassen. Die Kassenärztliche Vereinigung hat einen Patienten verklagt, der allen Mahnungen zum Trotz die fälligen zehn Euro nicht entrichtet hat. Der 49-Jährige gibt an, den Betrag nicht aufbringen zu können. Für das Gesundheitswesen droht das Inkasso durch die Zahlungsverweigerer zu einem wirtschaftlichen Desaster zu werden.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein will exemplarisch klären, ob die 10-Euro-Gebühr überhaupt gerichtlich eingetrieben werden kann. Die Vereinigung ist für das Eintreiben der Gebühr gesetzlich zuständig, obwohl sie im Gegensatz zum behandelnden Arzt oder den Krankenkassen in keiner Vertragsbeziehung zu den Patienten steht.

Laut Kassenärztlicher Vereinigung Nordrhein gibt es allein in ihrem Bereich fast 18.000 Zahlungsverweigerer. Die Kosten für das Eintreiben in diesen Fällen beziffert die KV auf bislang rund 500.000 Euro. NRW-weit sollen 2004 insgesamt sogar mehr als 30.000 Patienten die Gebühr nicht bezahlt haben. Während die KV Nordrhein indes auf eine gerichtliche Entscheidung setzt, hofft die KV Westfalen-Lippe auf eine politische Lösung. „So lange die Prozessgebühren bei einem Streitwert von zehn Euro 150 Euro betragen, werden wir nicht klagen“, betonte Andreas Daniel von der KV Westfalen-Lippe im Februar. Insgesamt müssten die Vereinigungen 4,5 Millionen Euro Gerichts-Gebühren zahlen, damit die Krankenkassen 300.000 Euro erhalten.

Den Zahlungsverweigerern drohen im Falle einer Verurteilung und folgender Zwangsvollstreckung allenfalls Kosten von 34,20 Euro. Die Gerichtskosten in Höhe von 150 Euro muss die Krankenkasse des Verweigerers zahlen, wenn die Klage erfolglos bleibt. Im Falle eines Erfolgs bleibt die Kassenärztliche Vereinigung auf den Kosten sitzen.

Vergangene Woche war bekannt geworden, dass seit Einführung der Praxisgebühr weniger Frauen die Krebsvorsorgeuntersuchungen nutzen – obwohl dafür gar keine Gebühr fällig wird. Allein in Westfalen-Lippe sei die Zahl der Untersuchungen 2004 um 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. „Wenn diese Entwicklung anhält und die Prävention weiterhin vernachlässigt wird, dann wird die Anzahl der Krebserkrankungen in Zukunft steigen“, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe, Ulrich Thamer, in Münster.

Die Praxisgebühr ist eine Form der Zuzahlung für Kassenpatienten, die zum Arzt gehen. Sie ist seit dem 1. Januar 2004 einmal im Quartal fällig.

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