piwik no script img

HipHop-Frührentner gegen Hartz IV

BENEFIZ Aus dem HipHop-Tagesgeschäft haben sich Icke & Er zurückgezogen. Jetzt setzen sie ein Zeichen gegen die grassierende Armut in Berlin: eine dreistündige Benefiz-Gala mit exklusiven Promi-Darbietungen

„Charity ist uncool. Es geht doch darum, dass die Leute einen geilen Abend haben“ (Icke)

INTERVIEW KIRSTEN RIESSELMANN

taz: Warum stellen die HipHop-Frührentner Icke & Er eine Benefizgala auf die Beine, die Geld für arme Kinder, Hartz-IV-Empfänger und Obdachlose einbringen soll?

Icke: Die Idee, dass man theoretisch auch mal Gutes tun könnte, haben wir Anfang des Jahres gehabt. Seitdem wir im Ruhestand sind, haben wir sehr viel Zeit, auch mal über was anderes nachzudenken. Dann kamen Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Überallkrise. Als wir uns in der Nachbarschaft und im Freundeskreis umgekiekt haben, haben wir gemerkt: Da verlieren Leute wirklich ihren Job und sind auf Stütze angewiesen. Da haben wir haben uns gedacht: Die Welt retten kriegen wir nicht hin – wir können aber was für Berlin machen.

Was war der erste Schritt?

Wir haben unseren Nachbarn Bela B. angerufen und gesagt: Du Bela, du kennst doch auch ein paar Leute, und wir haben in unseren 18 Monaten Musikkarriere auch den einen oder anderen richtigen Star kennengelernt, warum rufen wir die nicht alle an, vielleicht hat ja die Hälfte Zeit. Und dann machen wir ein Konzert, wo wir alle umsonst spielen. Mit der Berliner Tafel haben wir dann einen Partner gefunden, der über jeden Verdacht erhaben ist. Jetzt stehen wir kurz davor und können es immer noch kaum fassen, dass wir so weit gekommen sind.

Haben Sie seit Ihrem Rückzug aus dem Showbiz schon selbst die Dienste der Berliner Tafel in Anspruch nehmen müssen?

Nö, dit nicht, aber ick sach mal so: Wir sind große Gegner von Hartz IV und von den Hartz-Gesetzen, weil die ja zur Folge hatten, dass man heute viel schneller abstürzen kann. Das dauert ja jetzt nur noch ein Jahr. Deswegen gloobe ick, dass es sinnvoll ist, den Fokus da drauf zu richten. Wir versuchen das auf unsere Art, also nicht mit Träne im Knopfloch und mit erhobenem Zeigefinger, sondern eher ein bisschen lockerer. Aber in der Sache, sage ick mal, unbestechlich ernst.

Ist Charity gerade vor dem Hintergrund der Krise nicht bloß ein fauler Trick, um ein gepflegtes Promi-Dasein zu kultivieren?

Nein, Charity ist sehr uncool. Wir werden uns nicht die Lippen aufspritzen lassen, um dann als Gutmenschen-It-Girls durch Deutschland zu tanzen. Mit dem Wort Charity können wir nicht viel anfangen, und dit verbindet uns mit allen Künstlern, die auf der Bühne stehen werden. Alle haben gesagt: Diesen Charity-Quatsch finden wir eher schlimm. Aber wenn ihr das macht, dann glauben wir, dass es nicht darum geht, Frau Merkel irgendeine blöde Ansage zu machen und dann Champagner hinter der Theke zu saufen. Dann geht es darum, dass die Leute einen geilen Abend haben.“

Ein Abend, der drei Stunden dauert. Mehr Zeit ist nicht?

Wir machen so einen kranken Durchlauf an Sensationen, dass es für jeden die schönsten drei Stunden aller Zeiten werden. Vielleicht passiert nach Ablauf der drei Stunden ooch noch wat janz Unjewöhnlichet, aber da darf ich aus juristischen Gründen noch nicht drüber reden.

Neben K.I.Z. sollen auch noch zwei andere Überraschungsgäste auftreten. Außerdem werden „eigens einstudierte Darbietungen“ der Künstler angekündigt. Was kann man sich darunter vorstellen?

Also erst mal kann ich sagen, dass es mit zwei Namen nicht getan ist, was die prominenten Überraschungsgäste betrifft. Und die Spezialdarbietungen, dit sind Überraschungen, wenn ick die jetzt verrate, sind’s ja keine Überraschungen mehr. Teilweise sind das aber so Sachen wie Duette. Es wird auf jeden Fall keiner sein Ding nur nach Vorschrift abreißen, hinter die Bühne kotzen und mit der Limousine wieder nach Hause fahren.

Kann man sich vorstellen, dass Icke & Er jetzt ein neues Rollenmodell gefunden haben, das sie noch etwas länger verfolgen werden – das der Sozialimpresarios?

Wir ziehen das jetze erst mal durch, dann kieken wir weiter. Ob wir jetzt gleich Sozialimpresarios werden? (Er protestiert leise von hinten.) Genau, wir wollen jetzt erst mal Spaß haben mit den ganzen Leuten, die wir auf unserer kurzen Reise durch das Geschäft kennengelernt haben. Aber das ist noch nicht die Grundsatzentscheidung, dass wir jetzt Bob Geldof aus Spandau werden.

Der reguläre Eintritt kostet 28 Euro. Die ersten 2.000 Hartz-IV-EmpfängerInnen, die mit ihrer Bescheinung kommen, dürfen für 5 Euro rein. Was machen Sie, wenn von den anderen 438.000 Berliner Hartz-IV-Beziehern auch noch weitere um verbilligten Einlass begehren?

Wer da rein will, kommt da auch rein. Das ist eine Frage des Willens, würde ick mal vermuten. Aber es ist schon ein bisschen kompliziert: Es geht uns natürlich darum, möglichst viel Geld zu sammeln. Aber wir wollen eben auch gemeinsam ein schönes Fest feiern, da sollen nicht nur irgendwelche reichen Leute stehen und sagen: Jetzt sind wir mal jut drauf und tun was für die arme Bevölkerung. Da wir aber eben keine Unternehmen dazu gekriegt haben, uns Geld zu spenden, weil alle gesagt haben „Krise, Krise, Krise, wir ham nüscht“, kosten die Tickets eben Geld. Dafür wird jeder, der eine Karte kauft, jetzt Hauptsponsor und kann sich was drauf einbilden. Es gibt übrigens keine Gästeliste! Obwohl jetzt schon wieder alle fragen: „Kannste uns auf Gästeliste irgendwie noch rein?“ Ich kiek die dann immer an und sage: Alter, hast du den Schuss nicht gehört?

Mehr zum Konzert: www.einhartzfuerberlin.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen