: Friedensprozess in Sri Lanka gefährdet
Tödliche Attentate auf hochrangige Vertreter der „Tamilischen Befreiungstiger“ lassen Gewalt eskalieren. Chef der Organisation wirft der Regierung Bruch des Waffenstillstandes vor. Wiederaufbau nach Tsunami-Katastrophe blockiert
WIEN taz ■ Eine Serie gezielter politischer Morde an der Ostküste Sri Lankas gefährdet den fragilen Friedensprozess. Paramu Tamilselvan, der Chef des politischen Arms der „Tamilischen Befreiungstiger“ (LTTE), wirft der Regierung vor, den seit drei Jahren geltenden Waffenstillstand zu brechen. Zwischen Anfang Februar und Anfang März wurden drei hochrangige politische Kader der LTTE ermordet. Alles deutet darauf hin, dass die vor einem Jahr aus der Organisation verstoßene Gruppe um den dissidenten Major Karuna hinter den Attentaten steckt.
Tamilselvan, der an der Spitze einer LTTE-Delegation über Ostern an einem Workshop für Konfliktmediation in Österreich teilnahm, spielte die Bedeutung der rivalisierenden Gruppe herunter. Ohne aktive Förderung durch die Armee hätte sich die zahlenmäßig unbedeutende Fraktion aufgelöst. „Das Waffenstillstandsabkommen verbietet ausdrücklich das Aufstellen von paramilitärischen Gruppen. Jeder ist für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in seinem Gebiet verantwortlich.“ Die Attentate hätten alle in von der Regierung kontrolliertem Gebiet stattgefunden.
Tatsächlich berichten Reporter der unabhängigen Zeitung Sunday Leader in einer am 20. März veröffentlichten Reportage von einem Camp der Karuna-Leute, das sie in unmittelbarer Nähe eines Armee-Stützpunktes in der Ostprovinz Batticaloa gefunden hätten. Dorfbewohner, die für eine der tamilischen Gruppen Partei ergreifen, fürchten Repressalien der jeweils anderen. In regierungsfreundlichen Medien wird gleichzeitig von einer Aufrüstung der LTTE-Luftwaffe berichtet. Der Bau einer Flugpiste im von den Rebellen interimistisch verwalteten Gebiet wird als gefährliches Zeichen gedeutet. Kamikaze-Angriffe mit schmutzigen Bomben werden als Bedrohungsszenario an die Wand gemalt.
„Das ist lächerlich“, wehrt sich Tamilselvan gegen diesen Verdacht. Die Luftwaffe sei 1998 bereits aufgebaut worden. Seit dem Waffenstillstandsabkommen habe man nicht mehr aufgerüstet. Seiner Meinung nach sucht die Regierung von Präsidentin Chandrika Kumaratunga einen Vorwand für ihre Blockadepolitik gegenüber einem gemeinsamen Tsunami-Wiederaufbauprogramm. Die norwegischen Vermittler haben einen Mechanismus vorgeschlagen, in dem Tamilen, Singhalesen und Muslime gemeinsam für die gerechte Verteilung der Wiederaufbauhilfe in den tamilischen und gemischten Gebieten sorgen sollen. Chefverhandler Erik Solheim, der Montag nach Wien kam, suchte erneut vergeblich eine Kompromissformel. Die LTTE hat im Prinzip zugestimmt, obwohl die Tamilen nicht entsprechend ihrer Stärke vertreten wären. Auch mit Vertretern der Muslim-Gemeinschaften, zu denen die Tamilen traditionell ein gespanntes Verhältnis haben, konnte Tamilselvan bei einem Treffen vor wenigen Tagen gutes Einvernehmen herstellen.
Präsidentin Kumaratunga, die von ihrem singhalesisch-nationalistischen Koalitionspartner JVP unter Druck gesetzt wird, findet das Konzept aber zu tamilenfreundlich. Auch ihre Astrologin rät ihr ab. Der Wiederaufbau wird dadurch blockiert. Internationale Katastrophenhilfe sei bei ihnen praktisch nicht eingetroffen, klagt Tamilselvan. In dem von der LTTE kontrollierten Gebiet sei die Versorgung der Tsunami-Opfer und deren Verlegung in Übergangslager vor allem von der Diaspora, den Auslandstamilen, finanziert worden.
RALF LEONHARD
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