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Taiwans Opposition kungelt mit Peking

Überfälliges Entspannungssignal oder Verrat an Taiwan? Eine Delegation der oppositionellen Kuomintang lässt sich in der Volksrepublik China hofieren, um sich im Umgang mit Peking daheim als Alternative zu Präsident Chen Shui-bian darzustellen

AUS PEKING GEORG BLUME

Es geht doch. Chinesen und Taiwaner verhandeln. Sie suchen nach kleinen Schritten zur Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen. Sie sprechen über das gemeinsame Erbe. Sie ehren einträchtig den Gründer des modernen Chinas, Sun Yat-sen, der 1911 den Sturz des Kaiserreichs anzettelte. Warum war das die letzten 56 Jahre lang unmöglich? Das fragten sich diese Woche wohl viele Chinesen.

„Was wir tun, zeigt, was das taiwanische Volk will“, sagte Chiang Pin-Kung, Vizechef von Taiwans größter Oppositionspartei Kuomintang (KMT), zum gestrigen Abschluss seiner fünftägigen Chinareise. Die KMT, so Chiang, habe jetzt Brücken zum Festland gebaut, über die auch Taiwans Regierung bald gehen werde. Es klang, als bräche in den innerchinesischen Beziehungen Entspannung aus. Dabei hatten erst letztes Wochenende hunderttausende Taiwaner gegen Chinas Anti-Abspaltungs-Gesetz demonstriert. Peking hatte das Gesetz, das Taiwan bei einer Unabhängigkeitserklärung mit Krieg droht, jüngst verabschiedet.

Nun soll von Kriegsdrohungen nicht mehr die Rede sein. Enthusiastisch feierten Chinas KP-gelenkte Medien den KMT-Besuch. Die Rede war vom ersten offiziellen Dialog der ehemaligen Bürgerkriegsparteien KP und KMT seit Kriegsende 1949. Vorherige Treffen waren vergessen. Denn erstmals war ein Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros, Chinas höchstem Entscheidungsorgan, zum innerchinesischen Dialog bereit. Jia Qinglin, Nummer vier der Partei, sprach von einem „großen Ereignis mit wichtiger Bedeutung“. Hongkongs freie Presse stimmte ihm zu. Taiwans Regierung aber warf der KMT Kapitulation vor. Präsident Chen Shui-bian kritisierte, KP und KMT wollten die Zeit um 60 bis 80 Jahre zurückstellen. Seine Regierung drohte der KMT mit Klage, weil die ohne Erlaubnis der Regierung verhandelt habe.

Der Empörung der Regierung Taiwans käme mehr Bedeutung zu, würde sie im eigenen Parlament eine Mehrheit haben. Die aber errang bei den Wahlen im Dezember überraschend erneut die KMT. Im Parlament will sie nun einen 10-Punkte-Katalog durchsetzen, den ihr Vize Chiang in Peking aushandelte. Es geht um Frachtflüge, Investitionsschutz für taiwanische Firmen und lokale Regierungskontakte. Präsident Chen wird sich schwer dagegen wehren können. Und noch im Mai will KMT-Chef Lien Chan sogar Chinas KP-Chef Hu Jintao in Peking treffen.

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