nebensachen aus kairo: Hier macht sich keiner aus dem Staub
Die Nachrichten aus dem fernen Europa klingen wahrlich beunruhigend. Feinstaub rieselt da auf die Großstädte herab. Vom größten Umweltproblem überhaupt ist da die Rede. München, Stuttgart und auch Berlin hätten bereits gegen die seit dem 1. Januar EU-weit geltende Feinstaubrichtlinie verstoßen. Diese erlaubt nur an 35 Tagen mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Stadtluft. „Feinstaubmanagement“ sei nun angesagt, denn laut EU-Studien sollen jährlich allein in Deutschland 65.000 Menschen an den Folgen der verschmutzen Luft – verursacht durch Industrie und Dieselmotoren in Deutschland – vorzeitig sterben.
Soll ich lachen oder weinen?, frage ich mich, als Teile der stinkenden schwarzen Rußwolke des vor mir fahrenden überfüllten Kairoer Stadtbusses langsam den Innenraum meines Autos füllen. Dieses würde wahrscheinlich auch keinen deutschen Abgastest bestehen.
Autha Billah – möge Gott den Kairoern helfen. Eine kurze Recherche ergibt, dass der ägyptische Staubgrenzwert schon einmal auf 70 Mikrogramm festgelegt wurde, um nicht für zusätzliche Beunruhigung zu sorgen. Aber was sind schon Grenzwerte im Land am Nil. In der Kairoer Innenstadt wird Feinstaub im Jahresdurchschnitt von über 250 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen, der sich dann in den hintersten Winkeln der ägyptischen Lungen festsetzt. Irgendwie hat es da doch etwas Beruhigendes, dass wir eigentlich alle bereits tot sein müssten, aber merkwürdigerweise immer noch im Kairoer Stau am Steuer sitzen.
Zumal die internationale Zementindustrie zwecks geringer Umweltauflagen und hoher Profite gern in Drittweltländern produzieren lässt. Kein Wunder also, dass Zement neben Baumwolle einen echten ägyptischen Exportschlager darstellt. Dort wurde bis vor kurzem schon einmal gern ohne Filteranlagen produziert. Was da im Land der Pharaonen aus dem Schornstein kam, machte nicht nur die zu trocknende Wäsche im Umkreis vieler Kilometer reklametauglich für den „Weißen Riesen“, sondern sprengte mit 10.000 Mikrogramm Staubpartikeln pro ausgespucktem Kubikmeter Rauch auch jegliche Feinstaubverordnung. Dreckige ägyptische Luft für sauber verputzte europäische Häuser.
Eigentlich müssten die Ägypter auch schon ohne jede Auspuff- oder Fabrikschloteinwirkung ausgestorben sein. Im Grunde dürfte sogar nie jemand die Pyramiden gebaut haben. Denn angeblich produziert die Wüste rund um Kairo bereits 80 bis 100 Mikrogramm natürlichen Feinstaub.
Er hatte zwar noch nicht die erforderlichen Messgeräte, aber der arabische Arzt Ibn Ridwan wusste bereits im Vordieselzeitalter des 11. Jahrhunderts von manchen Abenden in Kairo zu berichten, „an denen eine Art schwarzer Nebel über der Stadt hängt, der die Kehle irritiert, ganz besonders, wenn kein Lüftchen weht“.
Vielleicht würde den Deutschen ein wenig mehr Gelassenheit und den Ägyptern ein Quäntchen mehr Panik im Moment ganz gut anstehen. In Berlin, München und Stuttgart würden sie endlich einmal über etwas anderes, als das miese Wetter und den tödlichen Feinstaub reden. Und in Kairo würde die Angelegenheit mit dem gesundheitsschädlichen Feinstaub dann vielleicht nicht mehr einfach in den Dünen der umliegenden Sahara versanden.
KARIM EL-GAWHARY
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen