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Treueversprechen nach Koalitionsgipfel

Ende einer Beinahe-Krise: Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi tritt formell zurück, rettet aber seine Regierungskoalition. Politisch scheint das Verhältnis zwischen dem Regierungschef und seinen christdemokratischen Partnern endgültig zerrüttet

AUS ROM MICHAEL BRAUN

In letzter Minute konnte Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi gestern Nachmittag das endgültige Auseinanderbrechen seiner Koalition verhindern. Erst in einem separaten Gespräch Berlusconis mit Marco Follini, dem Vorsitzenden der christdemokratischen UDC, dann auf einem Gipfel aller Koalitionspartner, erfolgte die Einigung über eine Neuauflage der Regierung Berlusconi, die bis zu den turnusgemäß anstehenden Parlamentswahlen im Frühjahr 2006 halten soll. Mit dieser Lösung konnte sich Berlusconi gestern Abend zu Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi begeben.

Ausgebrochen war der heftige Konflikt in der Koalition nach der herben Niederlage bei den Regionalwahlen vor gut zwei Wochen, bei denen die Rechte gleich sechs der bisher acht von ihr regierten Regionen verlor und deutlich hinter Romano Prodis Oppositionsbündnis zurückfiel. Die kleine UDC – sie hatte bei den Parlamentswahlen 2001 nur 3,2 Prozent geholt, konnte sich aber jetzt bei den Regionalwahlen auf fast 6 Prozent verbessern – hatte auf die Wahlschlappe mit der Forderung nach einer Wende in der Koalition reagiert. Berlusconi müsse, so die UDC-Forderung, den Rücktritt einreichen, um dann einen Neustart zu machen: mit neuen Gesichtern im Kabinett, vor allem aber auch mit einer programmatischen Neuorientierung hin zu den Interessen des Südens, der Normalverdiener und der Unternehmen.

Während Berlusconi sich bereit zeigte, kleine Zugeständnisse bei der Programmatik zu machen, lehnte er jedoch einen Rücktritt und dann die Bildung einer Regierung Berlusconi II rundheraus ab, aus Furcht, die Krise könne aus dem Ruder laufen und gar mit seiner Auswechslung enden. Die Drohung der UDC, dann eben die eigenen Minister aus dem Kabinett zurückzuziehen, hielt der Regierungschef für einen Bluff – bis es dann am Freitag so weit war. Die gestern erreichte Lösung soll nun beiden Seiten erlauben, das Gesicht zu wahren. Follini hat, verlautete gestern in Rom, einen Brief samt Treueversprechen an Berlusconi geschickt, und der verweigert sich nun nicht mehr einem Umbau seines Kabinetts und verbalen Bekenntnissen im Sinne der UDC.

Politisch ist jedoch keiner der Konflikte der Koalition gelöst – und persönlich scheint das Verhältnis zwischen dem Regierungschef und seinen christdemokratischen Partnern nach dieser Beinahe-Krise endgültig zerrüttet. Berlusconi hatte gerade in den Tagen des Koalitionskrachs geradezu demonstrativ den Schulterschluss zwischen seiner Partei Forza Italia und der populistischen Lega Nord zelebriert; eben diese privilegierte „Achse des Nordens“ war der zentrale Stein des Anstoßes für die UDC. Dass sie jetzt womöglich ein „Südministerium“ erhält, ist ein symbolisches Zugeständnis, wird aber kaum etwas an der Gewichtsverteilung in der Koalition ändern; gestern hieß es denn auch, Marco Follini werde selbst wohl nicht als stellvertretender Ministerpräsident ins Kabinett zurückkehren – so weit reicht seine „Treue“ dann doch nicht.

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