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MARTIN KAUL ÜBER DIE MASSENHAFTEN PROTESTAKTIONEN IN DRESDENVereint gegen Nazis

Die Geschichtsverklärer vom rechten Rand sind, mal wieder, frustriert abgereist. Der Grund: Kerzenschein und Mahnwachen, Menschenketten und Straßenblockaden. Ein massenhafter, durchweg friedlicher Protest. Nach Jahren heftiger Auseinandersetzungen haben die Menschen in Dresden ein erstaunliches Zeichen gesetzt. Ihr Friedensfest der Demokratie war rundum schön. Verstörend schön. Denn es war alles andere als eine homogene Menge, die da am Montag in Dresden auf die Straße gegangen war.

Dass die Gegendemonstranten dennoch so vereint auftraten, ist – erst recht nach den Krawallen im vergangenen Jahr und der Handydatenaffäre – kaum hoch genug zu schätzen.

Ausruhen sollte sich darauf allerdings niemand. Die am Montag zur Schau getragene Dresdner Einigkeit darf nicht die Differenzen kaschieren. Und mit dem langsamen Zurückdrängen der Neonazis als „Bestandteil“ der Dresdner Gedenkkultur kann die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte nicht enden. Sie sollte nun erst richtig beginnen. Auf der einen Seite stehen jene, die radikal mit dem „Opfermythos Dresden“ brechen wollen – auf der anderen solche, die im Zusammenhang mit dem Leid, das sie selbst oder eigene Vorfahren erlebt haben, schnell an nationalistische Klischees anknüpfen. Erst, dass diese Differenzen offen ausgetragen wurden, hat es ermöglicht, dass auch die breite Dresdner Bevölkerung gezwungen war, neu über ihren Umgang mit der Geschichte nachzudenken.

Die Debatte von Dresden zeigt, dass auch 67 Jahre nach dem Ende des Krieges die Interpretation der deutschen Geschichte nicht beendet ist. Sie muss auch künftig dort geführt werden, wo rechtes Gedankengut häufig entsteht: In der Mitte der Gesellschaft.

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