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Einer steht immer quer

Zehn neue Mitglieder vertreten zehn neue Standpunkte. Das schwächt die EU-Außenpolitik

AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER

Die Erweiterung sei „der erfolgreichste außenpolitische Akt der Europäischen Union“, heißt es in einer Studie vom März 2003. Der Satz steht in einem Bericht über „Errungenschaften und Herausforderungen“ der europäischen Einigung, den Kommissionspräsident Romano Prodi beim niederländischen Expremier Wim Kok in Auftrag gab. Nach einem Jahr Erfahrung mit dem Europa der 25 Mitglieder stellt sich die Frage, ob der Satz auch andersherum gilt: Macht ihre Erweiterung die Europäische Union außenpolitisch erfolgreicher?

„Die Notwendigkeit, ihre wirtschaftliche Stärke durch politische Macht zu ergänzen, ist einer der Hauptgründe für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“, war Kok damals überzeugt. „Mit 25 Mitgliedern müssen wir die Chance nutzen, mehr Autorität, Kohärenz und Einfluss auf internationaler Ebene zu erlangen.“

Ein Jahr nach der großen Beitrittswelle ist davon nichts zu spüren, eher im Gegenteil. Eine um 500 Kilometer nach Osten verschobene Außengrenze, fünf neue Nachbarstaaten – in dieser neuen, größeren Hülle scheint sich Europa noch nicht so recht eingerichtet zu haben.

Zu viele Koordinaten haben sich zeitgleich verändert: Aus den Nachbarn in Ost- und Mitteleuropa sind Mitglieder geworden; neue Nachbarn sind nun Kroatien, Serbien, Rumänien, die Ukraine und Weißrussland. Den Finnen Olli Rehn, für die Erweiterung zuständiger EU-Kommissar, mag gelegentlich ein Sisyphusgefühl überkommen: Jedes neu in die EU aufgenommene Mitglied zieht seinerseits Nachbarn nach, die im Rahmen der neuen Nachbarschaftspolitik Anspruch darauf haben, dass man mit ihnen über ein Assoziationsabkommen verhandelt.

So ist es kein Wunder, dass die Liste der gemeinsamen Erklärungen und Schlussfolgerungen am Ende der Ratstreffen immer länger wird. Vergleicht man allerdings die jeweiligen Inhalte, wird deutlich, dass sich der europäische Riese nur noch im Schneckentempo voranbewegt. Hinzu kommt, dass es im nun 25-köpfigen Rat fast unmöglich ist, Einstimmigkeit herzustellen. Einer stellt sich immer quer.

Beispiel Kuba: Die EU hatte im Frühjahr 2003 diplomatische Sanktionen verhängt, weil Castro 75 Dichter und Oppositionelle hatte einsperren lassen. Daraufhin stoppte die kubanische Regierung sämtliche Entwicklungsprojekte mit der EU. Vor Ort stöhnten die Mitarbeiter der Stiftungen und Hilfsprojekte. Sinnvolle Pläne, die den Menschen bessere Lebensbedingungen bringen sollten, steckten plötzlich fest. Doch eine Kurskorrektur erweist sich als mühsam. Tschechien hat sein Veto dagegen eingelegt, die Sanktionen aufzuheben. Wenn es um verfolgte Dichter geht, ist das Land aus historischen Gründen besonders empfindlich.

Beispiel Nordzypern: Noch immer hat die Union 259 Millionen Euro nicht freigegeben, die von der EU-Kommission als Trostpflaster in Aussicht gestellt wurden, nachdem der griechische Teil der Insel den Beitritt des türkisch-zypriotischen Nordens in einem Referendum blockiert hatte. Nun blockiert die griechisch-zypriotische Republik als frisch gebackenes Unionsmitglied die Auszahlung. Von mehr „Autorität, Kohärenz und Einfluss auf internationaler Ebene“, wie Kok das gefordert hatte, kann bislang also keine Rede sein.

Auch Deutschlands Alleingang für einen Sitz im Weltsicherheitsrat ist Ausdruck dieser Desillusionierung. Ein gemeinsamer Sitz der Union scheint in unerreichbare Ferne gerückt. Deshalb hat die Bundesregierung im September 2004 offiziell ihre Bewerbung bei der UN eingereicht. Noch im November 1999 hatte sich Bundeskanzler Schröder für einen gemeinsamen europäischen Sitz stark gemacht. Damals glaubte ja auch kaum jemand, dass der Big Bang tatsächlich zehn neue Mitglieder in die Union katapultieren und dort auf lange Zeit alles durcheinander wirbeln würde.

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