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revolutionärer 1. maiProgrammatisch dumpf

Keiner will’s gewesen sein. Die „B.A.N.G.“ nicht, deren Oberprotagonist zur gleichen Zeit in Polizeigewahrsam saß. Die „Sternburgbrigaden“ auch nicht, die damit beschäftigt waren, ihn wieder freizubekommen. Zwar hatten die beiden linksradikalen Gruppen im Vorfeld zur Spontandemo gegen und durch das Myfest aufgerufen. Verantwortung für die Folgen aber lehnen sie ab. Das ist so sinnlos wie die Sachbeschädigung eines Opel Corsa am Ende der Demo – und exemplarisch für den Kreuzberger Revolutionären 1. Mai.

KOMMENTAR VON FELIX LEE

Schon in den Vorjahren gab es den berechtigten Vorwurf, dass es den Demoveranstaltern kaum mehr gelingt, eine politische Botschaft zu vermitteln – zu offensichtlich war, worauf die meisten Teilnehmer tatsächlich aus sind. 18 Jahre nach dem legendären 1. Mai 1987, von dem erzählt wird, dass es tatsächlich so etwas wie ein sozialrevolutionäres Hochgefühl gab, bleibt nur blindwütige Randale. Am Sonntag war zum Glück selbst das nur noch ein Randphänomen.

Zwar hatte das Bezirksamt mit dem Prinzip gebrochen, beim Myfest Demonstranten und Feiernde gleichberechtigt auf die Straße zu lassen. Das gab den pseudorevolutionären Demoanmeldern aber nur einen letzten Grund zu Gejammer – über ihre programmatische Leere konnte es nicht hinwegtäuschen. Selbst das linke Szeneblatt Interim hat bedauert, dass der 1. Mai woanders politisch relevanter ist. In Hamburg ist es Aktivisten mit dem „Euromayday“ gelungen, den „Tag der Arbeit“ mit neuen Inhalten zu füllen: Protest gegen auf Aktienkurse ausgerichtete Wirtschaftspolitik, zunehmend prekäre Beschäftigungsverhältnisse und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. All das sollte auch Linke in Berlin interessieren – vielleicht nächstes Jahr.

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