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Die Standortfrage

Ein Jahr Standort NRW:

Bocholt, Juni 2004:Da nützte auch ein von der Gewerkschaft selbst in Auftrag gegebenes Gutachten nichts. Die Wirtschaftsprüfer von Ernst&Young, die von der IG Metall beauftragt wurden, fanden folgendes heraus: Die Kostenvorteile einer Produktion von Mobiltelefonen in Ungarn sei an den Standorten Bocholt und Kamp-Linfort auch durch flexiblere Arbeitszeiten und betriebsinterne Rationalisierungen nicht zu egalisieren, stellten die Wirtschaftsprüfer fest. Also Mehrarbeit gegen Ungarn: 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich, statt Urlaubs- oder Weihnachtsgeld eine „erfolgsabhängige Jahreszahlung“. Trotzdem will Siemens die unrentable Tochter aus dem Gesamtkonzern ausgliedern, kündigte Siemens-Chef Klaus Kleinfeld nach der Vorlage der Geschäftsergebnisse des zweiten Quartals Ende April an.

Mobiltelefone und Ungarn, Teil zwei:Der ostwestfälische Zulieferer von Mobiltelefon-Komponenten, Kunstoffteilen für die Medizintechnik und die Automobilindustrie, die Firma Balda, kündigte im vergangenen Oktober an, seine Zubehörteile zukünftig nicht mehr in Deutschland, sondern in Ungarn herstellen zu wollen. Das Unternehmen teilte zu diesem Schritt mit: „Von der Verlagerung ist kein Stammpersonal betroffen, sondern nur Leiharbeitskräfte von Teilzeitfirmen.“ Fünf Monate danach teilte der Konzern mit, nach dem Rekordgewinn von 2004 (47,7 Millionen Euro vor Steuern) seine Dividende zu verdoppeln. Ein Arbeitsplatzvernichter ist Balda jedoch nicht, weltweit erhöhte der Konzern die Zahl seiner Mitarbeiter im vergangenen Jahr von 3.600 auf 5.500. Viele von ihnen arbeiten in China.

Apropos China:Nur noch dreißig Arbeitsplätze von insgesamt 270 Stellen will der Wittener Sicherungshersteller Wickmann in Deutschland behalten. Die seit dem vergangenen Jahr zur US-Holding Littlefuse gehörenden Wittener möchten zukünftig ihre Sicherungen für die Elektroindustrie lieber in Südchina herstellen. Lediglich die Verwaltungs- und Forschungsabteilung solle in Witten bleiben, teilte das Unternehmen mit.

Forschungsbedarf hat auch das vom Bayer-Konzern abgespaltenen Unternehmen Lanxess:50 Millionen Euro will das Unternehmen, das der Bayer Konzern nicht mehr haben wollte, in den nächsten Jahren in seine Kunststoff-Sparte Styrenic Resins investieren. Allerdings ist noch nicht klar, wohin das Geld fließt, entweder in ein spanisches oder in das Dormagener Werk. Das jeweils andere wird dann dicht gemacht, gab das Unternehmen Ende April bekannt. Insgesamt will das Unternehmen, dass die Bilanz des Bayer-Konzerns bis Januar 2005 immer trübte, in Deutschland 1.200 Stellen abbauen. „Wenn wir jetzt nicht handeln, stehen weitaus mehr Arbeitsplätze auf dem Spiel“, sagt der Lanxess-Vorstandsvorsitzende Axel Heitmann.

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