: Verkäufer der TräumeDer Inselmakler
Farhard Vladi hat seine Inseln in Hängeordnern abgelegt. Dort warten sie auf Menschen, die zu ihnen passenAn Promis verkauft Farhad Vladi seine Inseln eher selten. Die meisten Kunden sind die „Armen der Reichen“, Ärzte etwa. Und statt der Karibikinsel ihrer Träume kaufen die meist doch lieber etwas Seriöses in Schweden oder Kanada. Denn die Exotik hat ihre Risiken
VON SEBASTIAN BRONST
Meterlange Aktenschränke beherbergen Farhad Vladis Geschäftsgrundlage. „U.S.A.“ steht auf den Schubladen, „Irland“ oder „Bahamas“. In langen Reihe stehen die weißlackierten Kästen halbhoch an den Wänden der schmucklosen Büroetage eines Geschäftshauses mit Blick auf die Hamburger Binnenalster. Schwarzweiß-Fotos, Landkarten, Satellitenbilder und kopierte Notizen quellen darin aus braun-beigen Hängeordnern – markiert mit gelben, rosa oder grünen Karteireitern.
Nichts verrät, dass in dem Raum mit dem Charme einer verstaubten Katasteramtsstube mit etwas gehandelt wird, das in Mitteleuropa als Inbegriff von Abenteuerromantik und Fernweh gilt: Inseln. Das Profil beinahe jedes privaten Eilands der Welt läst sich in Vladis Archiv mit wenigen Handgriffen recherchieren – auf der Basis von Daten, die er selbst in jahrelanger Kleinarbeit auf unzähligen Reisen zusammengesucht hat.
Der 64-jährige Geschäftsmann aus Hamburg ist einer der ganz wenigen Inselmakler weltweit. Er verkauft und vermietet Inseln für jeden Zweck, in fast jeder Form und Größe und zu fast jedem Preis. Ein palmengesäumtes Stück Land unter karibischer Sonne, eine schroffe Felseninsel vor Neuseeland oder ein mit Tannen bestandenes Feriendomizil in einem kanadischen See – bei Bedarf lässt sich in den Aktenschränken von „Vladis Private Islands“ am Ballindamm beinahe alles finden.
Der Beruf eines Inselmaklers weckt Assoziationen mit märchenhaftem Reichtum und ewig währendem Urlaub. Doch Vladi ist kein überdrehter Jetset-Typ, sondern ein zurückhaltender, freundlicher Mann mit grauen Haaren, ganz der hanseatische Kaufmann. Einer, der nüchtern und seriös auftritt und seine Berufslaufbahn einst mit einer Banklehre begann. „Wenn man flüchtet aus der zivilisierten Welt, nimmt man alle Probleme mit, die man hat. Das sehen viele nicht.“
Besonders ärgere ihn, wenn ihm der Nimbus des Mondänen vorauseile, sagt Vladi. Klar, er hat schon Inseln an Hollywood-Schauspieler wie Nicolas Cage und Tony Curtis verkauft. Aber solche Kontakte seien die Ausnahme, wie er in seinem großzügigen Privatbüro eine Etage unter dem Raum mit den Aktenschränken erzählt. Die Leute dächten immer, die Superreichen und Prominenten gäben sich bei ihm die Klinke in die Hand. „Das ist nicht ganz so“, sagt er mit einem kurzen, herzhaften Lachen. „Das Segment fällt fast komplett aus.“
Wirklich Vermögende und Berühmte mieten sich aus Sicherheitsgründen lieber inkognito an wechselnden Orten ein; und Stars und Sternchen mit einer Vorliebe für Champagnerpartys und Ferraris kaufen sich in der Regel keine Privatinsel, auf der sie mit sich allein wären. „Die wollen gesehen werden“, sagt Vladi. Seine Kunden seien typischerweise die „Armen der Reichen“, fügt er an. Ärzte und andere Vertreter des gehobenen Mittelstands, sofern sie sich nicht für eine Finca oder Ferienwohnung auf Mallorca interessieren. Bei wem es für eine Eigentumswohnung reiche, der könne sich auch eine Insel kaufen, lautet Vladis Credo. Ab etwa 100.000 Euro ist man dabei.
Hört man Vladi zu, dann gewinnt man schnell den Eindruck, Inseln seien so etwas wie Schrebergärten für Besserverdienende. Wer „Naturfreak“ sei und gerne improvisiere, für den könne eine Insel eine „Apotheke für die Seele“ sein, aber viel mehr dürfe man nicht erwarten.
1971 verkaufte Vladi ein erstes Eiland an drei Hamburger Geschäftsleute und stürzte sich dann mit viel Mut zum Risiko in die Nische. Heute beschäftigt er 25 Mitarbeiter in Deutschland und Kanada, zusätzlich gehört ihm eine Hamburger Buch- und Landkartenhandlung. Die Daten von 12.000 Inseln verwahrt er in seinen Schubladen, bei Bedarf organisiert sein Team auch An- und Abreisen und übernimmt die Inselverwaltung.
Eine Insel erfordere viel persönlichen Einsatz, sagt Vladi. Er selbst besitzt seit 20 Jahren eine Insel in Neuseeland, eine frühere Schaffarm, auf der noch 50 Schafe und 100 Ziegen grasen („nichts Fotogenes“). Wer sich auf einem Eiland einrichten will, der muss sich notgedrungen mit Infrastrukturmaßnahmen befassen. Woher soll der Strom kommen, woher das Essen? Wohin mit dem Abwasser? Nicht zufällig hält Vladi seine Kunden schon einmal mit Rundmails über neue Entwicklungen in der Solar- oder Windenergietechnik auf dem Laufenden. „Eine Insel ist, das muss man wirklich sagen, mit Arbeit verbunden.“
Natürlich hat er auch die schneeweißen Südsee-Sandstrände in den Aktenschränken, die Rundherum-Sorglos-Pakete unter Palmen, aber die sind eher zum Mieten gedacht, nicht zum Kaufen. Der Wunsch nach Karibikflair überstehe ein ehrliches Beratungsgespräch meist nicht, sagt Vladi. Wer sich einmal mit der Frage beschäftigt habe, wie weit es im Notfall bis zum nächsten Krankenhaus ist und wie es um die politische Stabilität in der Region bestellt ist, der kaufe am Ende meist doch lieber Inseln in Schweden, Frankreich oder Kanada.
„Die Leute kommen und fragen nach einer Südseeinsel und verschwinden mit irgendetwas mit einer Fichte drauf“, sagt der Makler der Träume. Das Gespräch ist beendet, er wendet sich wieder seinen Geschäften zu: Informationen sammeln, Kontakte knüpfen. Damit die Aktenschränke in der Etage über ihm nicht leer werden.
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