: Politischer Staatsanwalt
Nicht gegendarstellungsfähig (III): Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Annans falsche Wahl
Hier stellt der Berliner Strafverteidiger und Presseanwalt Jony Eisenberg wöchentlich juristische Betrachtungen an.
Der Berliner Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis wird als Leiter einer dreißigköpfigen Sonderkommission für die UNO den Mord an dem früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri untersuchen.
Mehlis war in den 80er-Jahren Staatsanwalt in der berüchtigten „P-Abteilung“ in West-Berlin, die Steinewerfer, Hausbesetzer und andere Linksradikale verfolgte. Er galt in der Truppe von P-Staatsanwälten aber eher als gemäßigt, als einer, mit dem die Anwälte der Beschuldigten noch reden konnten. Später machte er Karriere, wurde Oberstaatsanwalt beim Kammergericht. Dort führte er die beiden Verfahren gegen Johannes Weinrich, und das „La-Belle-Verfahren“. Ein Verteidiger, der in beiden Weinrich-Verfahren tätig war, beschreibt ihn als deutlich Syrien-lastig: Mehlis Bestreben sei es gewesen, syrische Geheimdienstkreise als Auftraggeber der Carlos-Truppe zu identifizieren, zum Teil gegen jede Beweislage. Im zweiten Weinrich-Verfahren hat Mehlis zudem bewiesen, dass ihm das juristische Gefühl für eine Verurteilungschance abgeht: Einen Vorschlag des Gerichts, das Verfahren gegen Weinrich, der bereits rechtskräftig wegen des Anschlages auf das Maison de France zu lebenslanger Haft verurteilt war, einzustellen, wies Mehlis zurück. Nach dem Freispruch Weinrichs dann kündigte er großspurig eine Revision an, die er nach Eingang der schriftlichen Urteilsgründe leise zurücknahm.
Ein besonderes Bubenstück leistete er sich als Staatsanwalt in dem „La-Belle-Verfahren“ (Anschlag im Jahre 1986 auf eine auch von GI’s besuchte Westberliner Diskothek): Dort vernahm er einen mitbeschuldigten Libyer, den er als eine Art „Kronzeugen“ aufbauen wollte, persönlich auf Malta in einer Art und Weise, die das Landgericht Berlin später dazu brachte, die Aussagen des Mannes wegen des Einsatzes verbotener Vernehmungsmethoden als unverwertbar anzusehen. In den Urteilsgründen aus dem Jahre 2001 spricht das Gericht von „bewusster Täuschung“ des Libyers durch Mehlis. Der hatte ihm Vergünstigungen versprochen, die gar nicht eingehalten werden konnten. Im selben Verfahren wurde Mehlis als Zeuge gehört. Das Landgericht hat auch dazu ausführlich Gründe genannt, warum es einige der Zeugenaussagen von Mehlis, mit denen er sein Verhalten prozessordnungsgemäß erscheinen lassen wollte, nicht glauben mochte. Mehlis wird von Verteidigern als etwas „tricky“ beschrieben, als jemand, für den der Zweck die Mittel heiligt. Für den Job, den ihm Kofi Annan zugedacht hat, eine denkbar schlechte Voraussetzung.
JONY EISENBERG
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