piwik no script img

Kurzarbeiter bleiben lieber zu Hause

ARBEITSMARKT Nur jeder 100. bildet sich fort. Der Finanzminister denkt an „Weiterbildungspflicht“

FRANKFURT/MAIN epd | Rund 1,4 Millionen Beschäftigte in Deutschland arbeiten zurzeit in Kurzarbeit. Doch während die Betriebe die Kurzarbeit zur Einsparung von Lohnkosten ausgiebig nutzen, bleibt die von der Politik gewünschte Weiterbildung der Beschäftigten zumeist aus. Derzeit bilden sich nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) nur rund 9.100 Kurzarbeiter weiter, das ist nicht einmal jeder 100. Seit Jahresbeginn haben erst 36.000 Personen an einer von der BA geförderten Fortbildung teilgenommen.

Angesichts dessen brachte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) am Wochenende eine Weiterbildungspflicht für Kurzarbeiter ins Gespräch. Wenn die Angebote „weiter unzureichend wahrgenommen werden, sollten wir eine verpflichtende Lösung prüfen“, sagte der SPD-Politiker dem Hamburger Abendblatt.

An der finanziellen Förderung hapert es nicht. 184,5 Millionen Euro sind im Etat des Bundes für die Weiterbildung angesetzt. Abgerufen wurden davon bis Ende Mai nur 7,4 Millionen Euro.

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist die geringe Weiterbildungsrate eine negative Überraschung. „Wir sind enttäuscht“, sagt Johannes Jakob. Der DGB-Arbeitsmarktexperte hört selten von Unternehmern, die ihre Beschäftigten zum „lebenslangen Lernen“ animieren. „Die Weiterbildungen sind eher relativ eng betriebsbezogen“, sagt Jakob. Beim DGB hatte man damit gerechnet, dass sich rund 20 Prozent der Beschäftigten weiterbilden können. Die Realität sieht anders aus. „Wenn man eine Kultur der Weiterbildung schaffen will, braucht das Zeit“, sagt Jakob. Doch seit der massiven Ausweitung der Kurzarbeit ist erst ein Jahr vergangen.

Anke Seifert von der Industrie- und Handelskammer Stuttgart betont, es sei schwierig, die Fortbildungen zu koordinieren, da die Unternehmen ganz unterschiedlich kurzarbeiten. Selbst in den einzelnen Unternehmen ist nicht jede Abteilung gleich stark von Kurzarbeit betroffen. „Bei den Fortbildungen Angebot und Nachfrage unter einen Hut zu bringen, das ist die Kunst“, sagt Seifert. HENNING ENGELAGE

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen