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Soll Deutschland mehr Druck auf Iran ausüben?

„Schwerwiegende Folgen“ soll die Ermordung des deutschen Staatsbürgers Jam­shid Sharmahd laut Annalena Baerbock haben. Die deutsche Botschaft in Teheran habe sich „unermüdlich“ für Sharmahd eingesetzt. Das kann man eigentlich nur noch als Eingeständnis ihres Scheiterns lesen. Eine Regierung, die ihre Staatsbürger nicht vor Terror oder einem Terrorregime schützen kann, macht keine gute Arbeit – und schon gar keine „feministische“ Außenpolitik, wie sie die Außenministerin bei ihrem Amtsantritt versprochen hat. Feminismus und das Regime in Teheran – das passt ungefähr so zusammen wie Friedensdemos und Putin. Wie werden die „schwerwiegenden Folgen“ also wohl aussehen? Ein ernstes Gespräch mit dem Bot­schafter?

Deutschland ist innerhalb Europas größter Handelspartner des Iran. Warum eigentlich immer noch?

Klar, die Erzählung klingt schön: Wandel durch Annäherung, den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen, die Menschen nicht im Stich lassen. Aber: welches Terrorregime wurde je durch Appeasement oder wirtschaftliche Verbindungen gestürzt oder auch nur geschwächt? Es hat bei Putin nicht funktioniert und es wird erst recht nicht bei den Mullahs funktionieren. Druck erzeugt nur Gegendruck, sprich: Wer solche Regime reizt, fordert sie nur zu mehr Gewalt heraus? Das mag kurzfristig so sein, langfristig aber stärkt man sie durch Beschwichtigung und Hand-Ausstrecken nur. Baerbock müsste also – zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck – jetzt in die Konfrontation gehen und ökonomischen Druck ausüben. Denn wer auf internationalem Parkett auf die Einhaltung von Menschenrechten pocht, muss sie überall einfordern. Konsequent. Das gilt im Fall Iran nicht zuletzt für all diejenigen, die sich Frieden im Nahen Osten wünschen. Der wäre mit einem Fall des islamischen Regimes in Teheran näher, als manche heute zu träumen wagen. Denn sowohl Hisbollah als auch Hamas und Huthis werden von wem aufgerüstet? Genau: von Teheran. Ariane Lemme

Die Hinrichtung des deutsch-iranischen Unternehmers Jamshid Sharmahd ist ein Staatsverbrechen. Nach einem Schauprozess zum Tode verurteilt, wurde er jetzt hingerichtet. Schon, dass er bei einem Zwischenstopp in Dubai vom iranischen Geheimdienst in den Iran verschleppt wurde, war ein politischer Skandal. Außenministerin Baerbock spricht nun von „Mord“ und kündigte schwerwiegende Konsequenzen an. Nur: was soll das jetzt noch bringen?

Die deutsch-iranischen Beziehungen sind ohnehin schon angespannt. Erst im Juni ließ Innenministerin Fae­ser die „Blaue Moschee“ in Hamburg schließen. Der Iran antwortete, indem er das deutsche Sprachinstitut in Teheran schließen ließ. Deutschland macht sich auf europäischer Ebene zudem dafür stark, die Revolutionsgarden als Terrororganisation einstufen zu lassen und die Sanktionen gegen Teheran zu verstärken. Diplomaten hatten davor gewarnt: das könne die Verhandlungen um inhaftierte Deutsche in Iran und die Diplomatie insgesamt erschweren. Doch Deutschland möchte Härte zeigen, das ist populär. Nur führt das leider dazu, dass der Iran ebenfalls Härte zeigt.

Die Kriege im Nahen Osten heizen die Spannungen weiter an. Im April bombardierte Israel ein Nebengebäude der iranischen Botschaft in Damaskus. Ende Juli wurde der damalige Hamas-Chef Ismael Hanijeh in Teheran getötet, und beim Angriff auf das Hauptquartier der Hisbollah im Süden Beiruts Ende September kam neben deren Anführer Hassan Nasrallah auch ein iranischer General ums Leben. In beiden Fällen reagierte der Iran mit Raketen auf Israel, und Israel antwortete mit Angriffen auf den Iran. So geht das seit Monaten hin und her, und Deutschland steht dabei fest an der Seite Israels.

Statt jetzt wieder öffentlichkeitswirksam die Muskeln spielen zu lassen wäre es besser, es mal wieder mit Deeskalation und tatsächlich stiller Diplomatie zu versuchen. Es gibt noch mehr Gefangene in iranischen Gefängnissen, denen man damit womöglich helfen könnte. Daniel Bax

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