editorial: Auf der Friedensbrücke
Die taz Panter Stiftung bringt erneut Journalist:innen aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion zusammen. Angesichts von Kriegen und Konflikten bleibt das eine Herausforderung. Doch dieses Engagement zahlt sich aus
Von Tigran Petrosyan
„Tavisupleba“, aus dem Georgischen übersetzt bedeutet „Freiheit“. Dieses Wort ist in den vergangenen Monaten ein zentraler Begriff im Leben vieler Menschen in der Südkaukasusrepublik Georgien geworden. „Tavisupleba“ fordern Hunderttausende Demonstranten und die europäisch orientierte Opposition seit Monaten lautstark ein. Nun erheben sie erneut ihre Stimme. Am 26. Oktober hatten sie bei den Parlamentswahlen einen Machtwechsel in ihrem Land herbei führen wollen. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Die Regierungspartei Georgischer Traum, die sich in Richtung Russland orientiert und dabei zusehends autoritär agiert, wird – so sieht es derzeit aus – für vier weitere Jahre die Geschicke Georgiens bestimmen. Unter ihrer Führung sind demokratische Grundwerte, wie auch die Freiheit der Medien, ernsthaft bedroht.
Die taz Panter Stiftung hat im Oktober 15 Journalist:innen aus elf Nachfolgestaaten der Sowjetunion in der Hauptstadt Tbilisi zusammengebracht. Im Rahmen des Projekts „Krieg und Frieden: Austausch über Grenzen hinweg“, das auch vom Auswärtigen Amt gefördert wird, ermöglicht dieses Konzept Begegnungen zwischen Journalist:innen, die tagtäglich von Kriegen und Konflikten betroffen sind, dabei auf verschiedenen Seiten stehen und oft keine Gelegenheit haben, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Kolleg:innen aus der Ukraine, Russland und Belarus im Exil diskutieren über berufliche und persönliche Herausforderungen. Gleichzeitig suchen aserbaidschanische und armenische Journalist:innen nach möglichen Friedensperspektiven. Der jüngste Krieg zwischen den beiden Staaten um die Region Bergkarabach endete mit einem Sieg für Aserbaidschan und machte über 120.000 Armenier:innen zu Vertriebenen. Kolleg:innen aus Kirgisistan und Tadschikistan haben für diese Sonderbeilage sogar einen gemeinsamen Text über ihren seit Jahren schwelenden Grenzkonflikt geschrieben. Dieser entlädt sich immer wieder in bewaffneten Auseinandersetzungen, bei denen Menschen getötet werden.
Das alles sind keine Selbstverständlichkeiten. Viele riskieren allein durch die Teilnahme an einem Workshop wie diesem ihren Beruf oder sogar ihre Freiheit. Die Rhetorik der Diktatur verbietet es, mit dem „Feind“ zu kommunizieren. Ihr Mut ist damit umso bemerkenswerter. Für diese entschlossenen und kritischen Journalist:innen steht fest: Es ist wichtiger denn je, sich Gehör zu verschaffen und im Verbund mit Gleichgesinnten für eine bessere Zukunft zu kämpfen.
Podiumsdiskussion
Montag, 11. 11. 24, 19 Uhr
Einlass: 18 Uhr
In der taz Kantine
Livestreaming auf taz YouTube
Zu Gast im Talk:
🐾Eingeladen vom russischen Exil Meidum „Meduza“ sind Mitgründerin, CEO und Herausgeberin Galina Timtschenko und Chefredakteur Ivan Kolpakov.
🐾Die belarussische Künstlerin und Illustratorin Olga Yakubouskaya wird über die Lage der politischen Gefangenen in Belarus berichten.
🐾Die ukrainische Autorin Evgeniya Berezhnaya gibt Einblicke in die schwierige Lage in ihrem vom russischen Angriffskrieg schwer getroffenen Heimatland.
🐾Auch die Annäherung Georgiens an die Europäische Union und die Perspektiven des Landes werden diskutiert. Und die taz Panter Stiftung stellt ihre neuen Projekte vor.
🐾Gemeinsam mit Tigran Petrosyan, Gemma Terés Arilla, Barbara Oertel und Konny Gellenbeck.
Projekte, wie der Workshop der taz Panter Stiftung, wären ohne viele helfende Hände nicht möglich. Ein besonderer Dank geht dieses Mal an das Regionalbüro der Heinrich-Böll-Stiftung in Tbilisi, das die Gruppe herzlich aufnahm und ihr den so dringend benötigten geschützten sicheren Raum bot. Hier entwickelten sich angeregte – aber auch kontroverse – Diskussionen mit Expert:innen, es gab viel Zeit für Textarbeit, auch ein spezieller Podcast der taz Panter Stiftung namens „Freie Rede“ wurde produziert. Er wird bald zu hören sein – mit Geschichten aus Zentralasien, Russlands Versuchen Wirtschaftssanktionen zu umgehen und Erlebnisberichten darüber, wie Journalist:innen überhaupt noch arbeiten können in dieser herausfordernden Zeit.
Das Netzwerk der taz Panter Stiftung wird immer größer, viele der Teilnehmer*innen bleiben in Kontakt. Wir binden kritische Journalist:innen an die taz und wollen gemeinsam auch künftig neue Ideen entwickeln. Für die Möglichkeit, das zu tun, bedanken wir uns auch bei den vielen Menschen, die für unsere Osteuropa-Projekte spenden und weiterhin an unsere Arbeit glauben. Danke und nochmals Danke!
Der Autor ist der Leiter der Osteuropa-Projekte der taz Panter Stiftung
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