piwik no script img

Abschaffung des Paragrafen 218Abgeordnete wollen Abtreibung legalisieren

SPD, Grüne und Linke legen einen Gesetzentwurf zur Legalisierung von Abbrüchen vor. Nun müssen noch CDU und FDP mitmachen – viel Zeit ist nicht mehr.

Paragraf 218 überstreichen: Ak­ti­vis­t*in­nen demonstrieren im April in Berlin Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin taz | Abbrüche sollen in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft nach dem Wunsch von Abgeordneten mehrerer Fraktionen künftig grundsätzlich rechtmäßig sein. Zudem sollen Regelungen für Abbrüche nach den ersten drei Monaten im Schwangerschaftskonfliktgesetz, aber nicht mehr im Strafgesetzbuch stehen. So steht es in einem Gesetzentwurf, den Par­la­men­ta­rie­r*in­nen aus mehreren Fraktionen am Donnerstag in den Bundestag eingebracht haben.

Die bisher geltende Rechtslage, in der Abbrüche auch in den ersten drei Monaten grundsätzlich rechtswidrig sind, aber unter bestimmten Voraussetzungen straffrei sein können, stelle „eine erhebliche Einschränkung der Selbstbestimmung, der persönlichen Integrität und der körperlichen Autonomie Schwangerer dar und kann ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit Schaden zufügen“, heißt es in dem Gesetzentwurf, der der taz vorliegt.

Demnach soll zwar die Pflicht zur Beratung bestehen bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartepflicht von drei Tagen zwischen Beratung und Abtreibung. Wenn eine Abtreibung ohne Beratungsschein vorgenommen werde, soll sich künftig nur die Ärz­t*in strafbar machen, nicht aber die ungewollt Schwangere. Der Paragraf 218 selbst soll neu gefasst werden und nur noch den Schutz Schwangerer vor nicht selbstbestimmten Abbrüchen enthalten.

236 Abgeordnete aus den Fraktionen von SPD, Grünen und Linken hätten den Antrag bisher unterschrieben, sagte Carmen Wegge (SPD) am Donnerstag im Bundestag. Unter den Unterzeichnenden sind Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Außenministerin Annalena Baer­bock (Grüne). Laut der Geschäftsordnung des Bundestags kann der Entwurf ab dem 6. Dezember im Bundestag debattiert werden, sodass die zweite und dritte Lesung im Januar stattfinden könnte. Der Bundestag kann noch bis zu der für den 23. Februar geplanten Neuwahl Gesetze beschließen.

Die FDP blockierte

„Heute ist ein guter Tag für Frauen in Deutschland“, sagte Ulle Schauws (Grüne) am Donnerstag. Der Gesetzentwurf sei „ein Meilenstein für die körperliche Selbstbestimmung in Deutschland“. Der Bruch der Koalition habe den Zeitplan der Abgeordneten, den Gesetzentwurf einzubringen, zwar durcheinandergebracht. Abgeordnete von Union und FDP hätten bislang noch nicht unterschrieben, man führe aber „vertrauensvolle und kollegiale Gespräche“. Es gebe bereits die Botschaft, dass sich „einige“ die Zustimmung vorstellen können.

Zwar hatten mit SPD und Grünen zwei von drei Koalitionspartnern der Ampel die Abschaffung des Paragrafen 218 in ihren Wahlprogrammen gefordert. Im Koalitionsvertrag war zudem eine Kommission vereinbart worden, die Möglichkeiten zur Regelung von Abbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuchs prüfen sollte. Die Empfehlungen dieser Kommission sind für die Frühphase einer Schwangerschaft eindeutig: Deren grundsätzliche Strafbarkeit sei aus „völker-, verfassungs- und europarechtlicher Perspektive“ nicht haltbar. Doch die Ampel machte schnell klar, dass von ihrer Seite nichts kommen würde. Vor allem die FDP blockierte.

Mit dem Gesetzentwurf der Abgeordneten nun, der eine Legalisierung in den ersten drei Monaten als Ziel setzt, bringe man eine „Minimalversion“ dessen ein, was vorstellbar sei, sagte Leni Breymaier (SPD). Die Kommission habe deutlich mehr Spielraum für eine Legalisierung von Abbrüchen bis zur 24. Woche gelassen, ab der der Fötus außerhalb des Uterus als eigenständig lebensfähig gilt. So wie der Entwurf nun formuliert sei, gebe es eine reelle Chance für ausreichend Unterstützung für das Gesetz, sagte Breymaier.

Neben dem Entwurf reichten die Abgeordneten einen begleitenden Antrag ein, um die Versorgungslage von ungewollt Schwangeren zu verbessern. Ziele sind eine verlässliche und kostendeckende Finanzierung von Abbrüchen im Rahmen der Gesundheitsversorgung, ein besserer Zugang zu Verhütungsmitteln sowie eine bessere Verankerung von Abbrüchen in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung. Die Pflichtberatung soll ergebnisoffen sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Die aktuellen Regelungen zum Thema Abtreibung haben sich meines Erachtens gesellschaftlich bewährt.



    Wenn es hier zu neuen liberaleren Regelungen kommt, dann wird dies zu Gesellschaftlichen Konfrontationen führen, die zur weiteren Spaltung unserer Gesellschaft betragen würde.



    Wir sollten bedenken: Ein wichtiger Teil der gesellschaftlichen Spaltung in USA kommt von den radikalten Positionen zum Thema Abtreibung her!



    Meine Theorie: Ich vermute ohne das Thema Abtreibung in den USA, hätten die religiös fundamentalistisch geprägten Staaten im Mittleren Westen nicht mehrheitlich Trump gewählt!

    • @Fridolin:

      Zitat. "Die aktuellen Regelungen zum Thema Abtreibung haben sich meines Erachtens gesellschaftlich bewährt."

      Sie werden im Lichte internationaler Abkommen, die Deutschland unterzeichnet hat, von Experten als unhaltbar angesehen. Mehr muß man dazu nicht sagen.

      Zitat: "Meine Theorie: Ich vermute ohne das Thema Abtreibung in den USA, hätten die religiös fundamentalistisch geprägten Staaten im Mittleren Westen nicht mehrheitlich Trump gewählt!"

      Nein. Staaten wählen nicht, sondern deren Bürger. Und die haben einfach Preise und Inflation in 2024 mit denen zum Ende von Trumps Amtszeit verglichen. Die Diskussionen um Abtreibungsverbote waren dagegen ein Aufhänger, Frauen zur Wahl von Kamala Harris zu bewegen.



      Ist natürlich doof, daß sich Ihre Theorie nicht bestätigen läßt. Das ändert aber nichts daran, daß der Wahlausgang andere Gründe hatte.

  • Man muß davon ausgehen, daß in den letzten Wochen kaum noch jemand einer Abstimmung fernbleibt. Und wenn der Saal voll ist, braucht man 369 Stimmen für die Mehrheit. Da erscheint es nicht besonders prickelnd, wenn von den 353 Abgeordneten der genannten drei Parteien bisher nur zwei Drittel unterschrieben haben.