DIE WERBEPAUSE: Da kocht man vor Wut
Wilfried Brandebusemeyer ist ein guter Mensch. Denn morgens kocht er Stahl – und abends für seine Mutter. Steht so auf den Werbeplakaten zur Familienpflegezeit des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Das Herr Brandebusemeyer so fleißig kocht, dass er morgens am Hochhofen für seine Rente rackert und abends an seine Frau Mama denkt, ist schön – ja, das freut uns für Mutter Brandebusemeyer, die in ihrem Leben sicher auch eine ganze Menge gekocht hat für ihren Sohn. Sonst hätten die beiden jetzt wohl kaum so eine innige Beziehung und der Junior würde nicht zwei Jahre Pflegezeit plus zwei Jahre Vollzeit zurück am Hochhofen auf ein Viertel seines Gehalts verzichten.
Dass es Herrn Brandebusemeyer gibt, freut uns auch ganz besonders für unsere viel gescholtene Familienministerin – man habe auch schon eine ganze Menge Informationsborschüren verteilt, ließ ihr Ministerium wissen. Information ist immer gut. Und so eine Familienpflegezeit billig.
Jedenfalls günstiger, als den Fachkräftemangel in der Pflegebranche ernsthaft anzugehen. Zudem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Frau Schröder für traditionelle Familienbilder gehörig was übrig hat: Betreuungsgeld für alle Muttis, die zu Hause Spinat kochen, statt die Kinder in die Kita zu bringen und sich selbst zur Arbeit zu bequemen. Da ist es nur konsequent, auch die Pflege wieder in die Familie zurückzuverlagern.
Aber was, verdammt, soll die Begrenzung der Pflegezeit auf lächerliche zwei Jahre? Muss sich Frau Brandebusemeyer so sehr beeilen mit dem Sterben? Muss denn auch der Tod ökonomisch effizient in irgendein Arbeitszeitmodell passen? Herr Brandebusemeyer ist ein guter Mensch, und dass er in zwei Jahren seine Mutter bis zum bitteren Ende gepflegt haben muss, das hat er nicht verdient. ANNA KLÖPPER
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