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Milliarden für RusslandTschechische Geschäfte mit russischem Öl und Gas

Der Öl- und Gassektor ist die wichtigste Einnahmequelle Moskaus. Zu den wichtigsten Käufern zählt die Tschechische Republik.

Der tschechische Regierungschef Petr Fiala äußert sich bei einem Besuch in Polen im September 2024 Foto: Christoph Soeder/dpa-ENR-Pool/dpa

Berlin taz | Sieben Milliarden Euro – so viel hat die Tschechische Republik seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 für fossile Brennstoffe aus Russland bezahlt. In fast drei Jahren Krieg sind das fünfmal mehr an Ausgaben für Öl und Gas an den russischen Aggressor, als für die Ukraine-Hilfe verwendet wurden. Dies geht aus einem Bericht des Zentrums für Demokratie (CSD) und dem Zentrum für Forschung zu Energie und sauberer Luft (CREA) hervor.

Obwohl die derzeitige Regierung unter Premierminister Petr Fiala wiederholt betont hat, dass sie die Abhängigkeit von russischem Öl reduzieren möchte, heißt es laut CSD und CREA, dass das Gegenteil der Fall ist. Tschechien hat sich deutlich abhängiger gemacht.

Aber: Öl importiert in der Tschechischen Republik nicht der Staat, sondern ein privates Unternehmen, nämlich das polnische Unternehmen PKN Orlen, die Muttergesellschaft der tschechischen Raffinerien Orlen Unipetrol. Die Regierung hat keinen direkten Einfluss auf die Entscheidungsfindung eines privaten Unternehmens.

Suche nach Alternativen läuft

„Deshalb unterstützen wir aktiv die Diversifizierung der Lieferanten, damit die Tschechische Republik zu Beginn des nächsten Jahres die russischen Öllieferungen vollständig ersetzen kann,“ erklärte die Sprecherin des Ministeriums für Industrie und Handel, Miluše Trefancová.

Die Regierung erleichtert auch den Kontakt tschechischer Händler mit Gasanbietern aus Algerien, Oman, Norwegen, den USA und weiteren Staaten. „Zusätzlich haben wir für das nächste Jahr mit Deutschland die Abschaffung von Gebühren vereinbart, die die Kosten für nicht-russische Gaslieferungen aus dem Westen nach Mitteleuropa erhöhen,“ ergänzte Trefancová.

Auch Martin Vladimirov, Direktor der Abteilung für Energie und Klima beim CSD, weißt auf neue Wege hin, um fossile Brennstoffe nach Tschechien zu bringen. „Die Tschechische Republik könnte regelmäßige Öllieferungen, die nicht aus Russland kommen, sicherstellen, indem sie etwa die verfügbaren Kapazitäten des Transalpen-Pipelinesystems nutzt.“ Außerdem könnten Importe von raffinierten Produkten erhöht werden und Ölvorräte genutzt werden, lautet seine Einschätzung.

Milliarden Geschäft für Moskau

Nicht mal die tschechische Bevölkerung hat etwas von den Geschäften mit Moskau. Laut Bericht hat die tschechische Orlen Unipetrol zwar verbilligtes russisches Öl gekauft – am meisten im dritten Quartal 2022 – doch von den deutlich niedrigeren Preisen profitierten die tschechischen Verbraucher nicht.

Moskau hat durch Ölexporte in die Tschechische Republik von Februar 2022 bis Juni 2023 rund 2,3 Milliarden Euro an Steuern eingenommen. In den letzten zehn Jahren haben die Einnahmen aus der russischen Öl- und Gasindustrie 30 bis 50 Prozent der Gesamteinnahmen des Staatshaushaltes ausgemacht.

Für den Kreml ist dies daher der wirtschaftlich bedeutendste Sektor. Obwohl die Europäische Union versucht, die Zuflüsse russischen Öls durch Sanktionen und andere Maßnahmen zu regulieren, haben Unternehmen, die in der EU tätig sind, weiterhin Schlupflöcher gefunden.

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8 Kommentare

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  • Hauptaktionär der PKN Orlen S.A. ist übrigens mit 49,9 % der polnische Staat (www.orlen.pl/pl/o-...tura-akcjonariatu). Soviel zur in Teilen sicherlich berechtigten Kritik Polens an der deutschen Abhängigkeit von russischen Gas- und Öllieferungen. Vorstandsvorsitzender war bis Februar 2024 der heutige PiS-Europaabgeordnete Daniel Obajtek.

  • Nicht nur Tschechien bezieht Gas aus Russland, ebenso Ungarn, Slowakei, Österreich und Slowenien.

    Es gibt 2 Möglichkeiten: diese Länder aus der EU ausschließen, dann hätten die restlichen EU-Länder eine weisse Weste, oder die Gasleitungen beschädigen, da haben die USA doch Übung darin (das Märchen dass es Ukrainer waren glaube ich nicht).



    Oder doch nicht?



    Die fossilen Brennstoffe kommen doch über Umwege immer im Westen an.

    Also gibt es keine Möglichkeit dies zu verhindern.

    Die Sanktionen werden zum Rohrkrepierer....

    Geld regiert die Welt! War immer schon so.

  • Ist doch vollkommen in Ordnung. Das ist Marktwirtschaft und keine Zwangswirtschaft. Nur wir sind so blöde und drehen die Versorgung zu. Die Folgen spüren und merken wir. Nicht umsonst schließen immer mehr Firmen.

    • @Mouse:

      Also meine Tankstelle hat noch Benzin. Da wurde nichts zugedreht...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Dann fahr mal nach Schwerin und erkundige dich dort nach der Raffinerie.

    • @Mouse:

      Ach so ist das!? Wenn's um die "freie" Marktwirtschaft geht, dann sind politische Sanktionen wurscht. Gute Idee. Darüber freuen sich dann gewiss etwa auch die Drogenkartelle - ist ja alles "frei"!!



      Liebe Mouse: das wäre dann der totale und absolut unbeherrschare, brutale Kapitalismus. Willst Du das??

      • @Perkele:

        Die Vorstellung, man könne den Kapitalismus nett einhegen, kann man wohl nur als Teil der 1. Welt haben.

        • @BluesBrothers:

          Das ist mir auch sehr klar. Doch das heisst noch lange nicht, dass ich nicht dagegen angehe oder dieses System auch noch blind-naiv unterstütze....