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Fanszene im HandballDessaus achter Mann

Ultras sind im Fußball etabliert, im Handball eher selten. Die Fans eines Zweitligisten aus Sachsen-Anhalt bringen echtes Kurvenflair in die Halle.

Die Dessauer-Fangruppe „ZAB Porters“ markiert vor der Anhalt-Arena ihr Revier Foto: Huebner imago

Dessau taz | Selten war ein Fanspruch so treffend wie an diesem herbstlichen Oktobertag in Dessau: „Wir ziehn voran als euer achter Mann. Durch Regen und Wind, durch Sturm und Schnee, ZAB olé“, singt der Chor, der sich tapfer gegen den Sturm stemmt, während die Fahnen straff im Wind wehen. Entgegen der Erwartung marschiert die Gruppe nicht zu einem Fußballspiel, sondern zu dem Handball-Zweitliga-Spiel ihrer Mannschaft gegen Nordhorn-Lingen.

Der Fanmarsch stoppt auf einem Parkplatz, wo anderthalb Stunden vor Spielbeginn die Kofferraumklappen geöffnet werden und sich die Fans mit Getränken in der Hand sammeln. Auf Fahnen, T-Shirts und Jacken prangt das Logo des DRHV 06 – dem Handballklub von Dessau-Roßlau.

Aktive Fanszenen sind im Handball, besonders in der zweiten Liga, eine Seltenheit. „Am Anfang wollten wir uns ‚Fanclub letzte Reihe‘ nennen, aber wir waren ja nur zwei Leute“, erinnert sich „Otti“, einer der Gründer der Fanszene. „Damals hat jeder ein anderes Fußballteam unterstützt, da wollte ich etwas Gemeinsames für den Handball schaffen.“ Heute zählt die Fanszene über 200 aktive Mitglieder. Dass seine Idee solche Ausmaße annehmen würde, hätte Otti nie gedacht. „Für mich ist damit ein Lebenstraum wahr geworden“.

Kommt man am Spieltag in die Halle, kann man die Fangesänge, Trommeln und Trompeten aus Block I kaum überhören. „Die lautstarke Unterstützung ist für das Team enorm wichtig und wird bei uns als achter Mann gesehen – genau wie in ihrer Hymne“, schreibt auch der DRHV 06 auf Anfrage.

In jeder Auszeit schallen „BSG – ZAB“ – Rufe durch die Ränge, eine Hommage an die Geschichte des Vereins. In den 1960er- und 1970er-Jahren spielte der Klub als BSG ZAB Dessau (Betriebssportgemeinschaft Zementanlagenbau) in der DDR-Oberliga. Heute hat sich der Klub in der zweiten Bundesliga etabliert und zählt in der eigenen Halle in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 1.500 Zuschauer.

Keine Strecke ist zu weit

Unter ihnen sind seit über 20 Jahren auch die „ZAB Porters“, die erste Fangruppe aus Dessau. Und ihre Energie kann man nicht nur in den Dessauer Stadtgrenzen spüren. Regelmäßig fährt der Fanbus zu Auswärtsspielen Die längste Fahrt ging bis nach Konstanz – knapp 700 Kilometer von Dessau entfernt. „Da sind wir von Berlin in die Schweiz geflogen und dann mit dem Zug nach Konstanz gefahren“, erzählt Ultra-Fan Otti.

Auch andere Teams organisieren mal einen großen Fanbus, aber das sei die Ausnahme. Die meisten Vereine reisen mit einer Handvoll Unterstützer an – wie Nordhorn-Lingen an diesem Tag. „So oft und mit so vielen Fans wie wir zu den Spielen reisen, sucht das in der zweiten Liga seinesgleichen.“

Dabei war das Verhältnis zwischen Verein und Fanklub nicht immer gut. „Wir hatten auch mal eine wilde Zeit“, gesteht der langjährige Fan. Anfang der 2010er kam es unter anderem zum Einsatz von Pyrotechnik, zu körperlichen Auseinandersetzungen und Hallenverboten.

Diese Zeiten gehören der Vergangenheit an. In der ersten Auszeit des Spiels faltet der Fanblock zwei Banner auf. „Kumpel, Keeper, Katze – Beste Genesung Patze“ halten sie über ihre Köpfe und richten sich an den kürzlich verletzten Torwart der Dessauer. „In den letzten Jahren hat sich unser Verhältnis zum Verein sehr gewandelt“, bemerkt Otti. Besonders Trainer Uwe Jung­andreas habe aktiv den Kontakt zur Fanszene gesucht und eine enge Zusammenarbeit angeregt. Immer wieder finden Fan­events statt, das traditionelle Fußballspiel zwischen Zuschauern und Sportlern etwa.

Zusammenhalt über den Handball hinaus

Doch nicht nur zu den Handballern ist das Verhältnis gut. Auch innerhalb der Fanszene gehe es beinahe familiär zu. „Wenn man wegen einem Rohrbruch um Hilfe bittet, dann stehen die Leute vor deiner Tür. Dieser Zusammenhalt geht weit über den Handball hinaus“, so Otti. Die Fans sind optimistisch, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Im Block I würden immer wieder neue, junge Gesichter auftauchen, die für die Zukunft der Fanszene wichtig sind. „Ich bin stolz auf diese Gemeinschaft“, sagt Otti. „Dessau ist in der Handballszene durch unseren Fanklub bekannt geworden.“

Das Spiel an diesem Tag endet mit einem Sieg für Dessau. Wie nach jedem Erfolg stellt sich die Mannschaft zunächst still vor den Fanblock. Dann beginnen Spieler und Fans gemeinsam im Takt zu einer selbst gesummten Melodie zu hüpfen – ein Augenblick der Einheit von Team und Fans.

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