Gewerbefläche gegen Vereinsspenden: Ein Bürgermeister unter Korruptionsverdacht
Ein Logistikunternehmen soll von der Stadt Wilhelmshaven ein Grundstück bekommen. Im Gegenzug verspricht es Sozialsponsoring.
Dass es diese Wahl gibt, ist neu. Bisher stand nur der Verkauf des Grundstücks im Raum. Ob bei der Anbahnung dieses Geschäfts durch die Stadt alles mit rechten Dingen zuging, wird gerade von der Staatsanwaltschaft Osnabrück untersucht: Im Raum steht der Verdacht auf Korruption.
Erstmals aufgefallen war das Geschäft Andreas Tönjes von der Satirepartei „Die Partei“, Sprecher der Gruppe „Die Bunten“ im Rat der Stadt Wilhelmshaven. „Ich fand es seltsam, dass die Fläche für 35 Euro den Quadratmeter weggehen sollte“, sagt Tönjes. Schließlich lag die betroffene Fläche direkt neben dem Jade-Weser-Port mit einem Bodenrichtwert von 60 Euro – und erst kurz zuvor hatte der Stadtbaurat klargestellt, dass es dort keine verfügbaren Flächen mehr gäbe.
Für die Firma Mosolf ist die Fläche essenziell: Das Logistikunternehmen möchte Autos vom Jade-Weser-Port aus verschiffen, schon seit 2019 gibt es erste Pläne dafür. Entstehen soll auf dem betroffenen 44.000 Quadratmeter großen Areal und einer weiteren benachbarten Fläche ein mit Solarmodulen überdachter Parkplatz für die Neu- und Gebrauchtwagen.
Ein illegales Kopplungsgeschäft?
Die Firma Mosolf hatte sich selbst und ihr Vorhaben am 1. Oktober im Wirtschaftsausschuss vorgestellt: Kennzahlen des Unternehmens, das geplante gesellschaftliche Engagement des Unternehmens in Wilhelmshaven.
Über das könnten Mosolf und der Oberbürgermeister nun stolpern. Fünf Vereine aus Wilhelmshaven werden in der Präsentation der Firma herausgehoben, die man alljährlich mit insgesamt 50.000 Euro sponsern wolle – fünf Jahre lang. Die Absichtserklärung konkretisiert dies bereits mit genauen Summen für die einzelnen Projekte und endet mit dem denkwürdigen Satz: „Das Sozialsponsoring ist gebunden an den Abschluss der laufenden Verkaufsverhandlungen.“
Tönjes sieht darin ein illegales Kopplungsgeschäft. Allein ist er damit nicht: Nach der Sitzung des Wirtschaftsausschusses hat auch die Stadt die Formulierung geprüft – mit dem Ergebnis, dass das vorgesehene Sponsoring in der beschriebenen Form unzulässig ist.
Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück wegen Korruption gegen den parteilosen Oberbürgermeister Carsten Feist – denn er hatte der Firma die Vereine vorgeschlagen, die vom Sponsoring profitieren sollten: der Wilhelmshavener Handballverein, die Kinderfeuerwehr, Freizeitbeschäftigung für Kinder und kulturelle Bildung in der Weihnachtszeit.
Bürgermeister weist Vorwürfe von sich
„Es gibt regelmäßig seit vielen Jahren Anfragen von Firmen, die in Wilhelmshaven ehrenamtliche Arbeit finanziell unterstützen möchten“, erklärt der Oberbürgermeister dazu. „Im Fall der Mosolf Port Logistics & Services GmbH habe ich sechs unterschiedliche Projekte der Firma vorgeschlagen“, sagt Feist. Das sei übliche Praxis; die Entscheidung, ob tatsächlich gespendet wird, obliege immer und ausschließlich dem Spender. „Eine Kopplung an andere Rechtsgeschäfte mit potenziellen Spenden wird immer und in aller Deutlichkeit kategorisch ausgeschlossen.“
Nun ist die Kopplung allerdings Teil der Absichtserklärung; auch der Zeitpunkt des geplanten Sponsorings ist auffällig. Die Firma Mosolf ist mit einem kleinen Team bereits seit zwei Jahren in Wilhelmshaven tätig. Die Firma äußert sich am Dienstag nicht dazu, warum sie ausgerechnet während der laufenden Verhandlungen zum Grundstückserwerb entschieden habe, in Wilhelmshaven ins Sponsoring einzusteigen.
Gegenüber der Nordwest Zeitung hatte Oberbürgermeister Feist erklärt, der Vorwurf der Korruption sei „offensichtlich rein politisch motiviert“. Der gängige Begriff der Korruption beinhalte das Motiv schließlich einer persönlichen Bereicherung. Das stimmt so nicht: Auch wenn sich ein Amtsträger einen Vorteil für Dritte versprechen lässt, spricht man von Vorteilsnahme. Anders als bei Bestechlichkeit ist es für diesen Korruptionstatbestand gar nicht vonnöten, dass die eigentliche Gegenleistung rechtswidrig ist.
Im Raum steht die Frage, ob die veranschlagten 35 Euro überhaupt eine Begünstigung für die Firma Mosolf darstellten. Die Pressestelle des Oberbürgermeisters weist diesen Vorwurf entschieden zurück: Das Gebiet habe man als Stadt noch nicht aktiv vermarktet, die Firma Mosolf habe aber konkret nach dem Grundstück gefragt. Bei der Preisermittlung habe sich die Stadt an den Bodenrichtwerten und einem Verkehrswertgutachten für die umliegenden Grundstücke orientiert.
Für Tönjes liegt darin ein Widerspruch zu einer Aussage des Mosolf-Chefs aus dem Wirtschaftsausschuss. Der habe dort, so erinnert sich das Ratsmitglied, auf Nachfrage angegeben, dass er von der Stadt aufgefordert worden war, selbst einen Preis zu nennen.
Tönjes geht davon aus, dass die Stadt ihre Pflicht verletzt habe, den wahren Wert des Grundstücks zu ermitteln – etwa über ein Wettbewerbsverfahren. Schließlich zeige nicht zuletzt das neue, verbesserte Angebot für eine Erbpacht, das an diesem Mittwoch im Rat verhandelt wird, dass es von Anfang an einigen Spielraum bei der Preisgestaltung hätte geben können – schließlich kann über die Erbpacht über die Jahre fast dreimal so viel Geld eingenommen werden, wie über den Verkauf – und das, ohne das Grundstück dauerhaft zu verlieren.
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