Nachtzug von Mailand nach Sizilien: Schiffsfahrt mit der Bahn

Im Nachtzug von Mailand nach Sizilien geht es auf einer Fähre über die Straße von Messina. Das ist tiefenentspannt und überraschend günstig.

Die Straße von Messina ist die schmale Passage zwischen der Ostspitze Siziliens und der Westspitze Kalabriens

Eine Fähre zwischen der Ostspitze Siziliens und der Westspitze Kalabriens Foto: imago

Berlin taz | Wo ein Schienenstrang ans Meer stößt, ist für Reisende in der Regel Endstation. Nicht so in Villa San Giovanni an der Spitze des italienischen Stiefels. Hier wird der Zug in kleine Häppchen geteilt, auf eine Fähre verladen und nach Sizilien verschifft. „Trajekt“ ist der Begriff dafür in der Eisenbahnsprache. Und als wäre das nicht Abenteuer genug, lässt sich das hier sogar im Nachtzug erleben. Die Reisenden stechen also nicht nur auf Schienen in See, sondern nehmen auch noch ihr Schlafzimmer mit.

Bis es so weit ist, haben Fahrgäste allerdings einen langen Weg hinter sich. Insgesamt 20 Stunden dauert die Reise von Mailand (weitere Verbindungen gibt es ab Rom), eine der längsten Nachtzugfahrten überhaupt. Ich erlebe die Fahrt Anfang November. Bevor der Intercity Notte den Bahnhof Milano Centrale um 20.10 Uhr verlässt, decke ich mich noch schnell mit Proviant ein. Einen Speisewagen gibt es an Bord nicht.

Trotz der sehr langen Fahrt sind die Tickets günstig. Einen Platz im Liegewagen gibt es bereits ab 60 Euro. Ich habe mir ein Schlafwagenabteil – bei der italienischen Bahn heißt das „Relax“ – gegönnt. Das kostet als Supersparpreis auch nur gut 100 Euro. Vor der Abfahrt klappt der Schaffner noch das obere Bett ein, so kann ich bequem sitzen. Das Abteil ist sauber und modern ausgestattet. Zum Frischmachen gibt ein Waschbecken. Für mehr Komfort können Interessierte ein „Superior“-Abteil mit Dusche und WC buchen.

Da die Überfahrt nach Sizilien erst zur Mittagszeit stattfindet, können Reisende es gemütlich angehen lassen. Ich sitze noch lange und schaue hinaus in die Nacht, während wir den Apennin einmal hinauf- und wieder hinabrollen.

Mit Espresso und Zeitung

Als ich am Morgen irgendwo hinter Salerno die Jalousie in meinem Abteil hochschiebe, blitzt das türkisblaue Meer vor dem Fenster auf. Für Stunden geht es nun die Küsten von Kampanien und Kalabrien entlang, der eigentliche Höhepunkt der Fahrt. Zwischendurch bringt der Schaffner das Frühstück. Na ja, eher ein Frühstückchen: ein abgepacktes Hörnchen, Zwieback, Ananassaft. Dazu, immerhin, einen ordentlichen Espresso. Es ist schließlich Italien.

Nach einem längeren Halt des Zuges in Villa San Giovanni schlägt die Stunde der Rangierer. Routiniert zerlegen sie den Zug und schieben Wagen für Wagen in den Bauch der Fähre. Es lohnt sich, ans Wagenende zu gehen und das Schauspiel von dort zu betrachten. Die Überfahrt selbst ist kurz, für ein Arancino, das typisch sizilianische frittierte Reisbällchen, aus dem Bordcafé reicht die Zeit aber.

Auf Sizilien werden aus unserem inzwischen Nicht-mehr-Nachtzug dann zwei Züge: Der eine fährt entlang der Nordküste nach Palermo, der Zugteil mit meinem Abteil biegt Richtung Süden ins antike Syrakus ab. Zypressen und Zitrusfrüchte ziehen am Fenster vorbei, bald gesellt sich der rauchende Ätna dazu. Ich setze mich noch mal ins Bett und blättere durch die Zeitung, die morgens im Gang ausgelegt wird. Auf diesen Service ist der Zugbetreiber offenbar besonders stolz, ein Piktogramm am Schlafwagen weist extra darauf hin.

Wir erreichen Syrakus um kurz vor 16 Uhr. Hier, am Ionischen Meer, ist nun wirklich Endstation. Ich fühle mich tiefenentspannt und in den Sommer zurück gebeamt – nur, dass die Sonne in kaum einer Stunde ins Wasser plumpsen wird. So gesehen hat die Fahrt nicht nur eine Nacht, sondern auch noch fast einen ganzen Tag gedauert. Ich bereue keine Minute. Schließlich durfte ich schon Seeluft schnuppern und aus meinem Schlafzimmer die halbe Insel erkunden.

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