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Klimakongress des BDIGeschäftsmodell klimafreundlich

BDI-Präsident Siegfried Russwurm fordert auf seinem Klimakongress mehr grüne Politik. Freilich im Sinne der Unternehmen.

Siegfried Russwurm, Präsident des BDI fordert mehr grüne Politik Foto: Joerg Carstensen/dpa

BERLIN taz | Siegfried Russwurm kommt gar nicht mehr aus dem Warnmodus heraus. „Die Zeit läuft gegen uns. Vor der Wahrheit, dass wir derzeit auf der Verliererstraße unterwegs sind, darf sich niemand länger verstecken“, sagte der Präsident des mächtigen Bundesverbandes der Industrie (BDI) am Dienstagvormittag in Berlin. Die Zeit zum Handeln sei jetzt, ein „Politikwechsel“ nötig.

Bereits im vergangenen April sorgte Russwurm für einigen Wirbel, als er die bisherige Regierungszeit der Ampelkoalition als „zwei verlorene Jahre“ bezeichnete. Nun lud der BDI ins Futurium zum siebten Klimakongress des Verbandes ein. In diesem „Haus der Zukünfte“, zentral gelegen zwischen Hauptbahnhof und Deutschem Bundestag, sollen Ideen und Denkanstöße für eine nachhaltige Zukunft entstehen.

Auch für den BDI ist die Zukunft mittlerweile grün: „Der globale Klimawandel ist Realität – und er erfordert globale Antworten“, sagte Russwurm. Deshalb sei es gut, dass Deutschland sich ambitionierte Ziele vornehme. „Die Industrie kann und will Transformation erfolgreich gestalten“, so Russwurm.

Das mag auch daran liegen, dass das Geschäftsmodell der einst starken deutschen Industrie nicht mehr rundläuft. Sie produziert derzeit weniger als vor Ausbruch der Coronakrise. Der Energiepreisschock infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine traf besonders energieintensive Branchen wie die Chemieindustrie schwer. Der Fachkräftemangel, zunehmender Protektionismus im Welthandel und wachsende Konkurrenz aus China tun ein Übriges.

Selbstkritik hatte Russwurm nicht zu bieten

Die Zukunftsaussichten der Industrie sind deshalb eingetrübt. Laut einer Studie der Boston Consulting Group und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des BDI ist ein Fünftel der industriellen Wertschöpfung in Deutschland gefährdet. Gleichzeitig bietet die Transformation aber auch Chancen. Die Be­ra­te­r*in­nen beziffern das Umsatzpotenzial neuer Zukunftsmärkte wie Klimaschutz, Digitalisierung, Gesundheit und Sicherheit bis 2030 auf 15 Billionen Euro. Dafür sind aber laut der Studie zusätzliche Investitionen von 1,4 Billionen Euro nötig.

„Wir brauchen dafür einen Kurswechsel der Politik, der Ökologie und Ökonomie in eine Balance bringt“, forderte Russwurm. Seinem Willen nach soll die Ampel noch drei Dinge an­gehen: Erstens sollen die Netzentgelte aus dem Bundeshaushalt mitfinanziert werden, zweitens soll ein neues Strommarktdesign Versorgungssicherheit gewährleisten und drittens sollen die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen deutlich beschleunigt werden.

„Es muss in der gesamten Breite gelingen, den Verfall der bestehenden Infrastrukturen zu stoppen“, forderte Russwurm zudem eine Investitionsoffensive, einen „Hochlauf von Wasserstoff“ sowie niedrigere Strompreise. So braucht es neben kurzfristigen Maßnahmen laut Russwurm „einen langfristigen, realistisch umsetzbaren Fahrplan für die Zukunft des Standorts Deutschland, der industriepolitisch über alle Handlungsfelder hinweg auf klimaneutrales Wachstum ausgerichtet ist“. Am liebsten wäre dem Lobbyisten dafür ein Schulterschluss aller politischen Parteien über Wahlperioden hinweg im Sinne der Industrie.

Womit Russwurm allerdings nicht aufwartete, war Selbstkritik, was die Industrie in Sachen Transformation vielleicht selbst verbockt hat. Dabei ist er selbst Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp, einem Konzern, der derzeit in der Krise steckt.

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