Treffen der EU-Außenminister: Zerreißprobe für die Europäische Union

Ukrainehilfen und die Nahostpolitik: Die EU streitet und die Staaten finden keine gemeinsame Linie. Immerhin bei Iran-Sanktionen ist man sich einig.

Das Logo der iranischen Revolutionsgardenauf einem Basecap

Abzeichen der iranischen Revolutionsgarden: EU geht härter gegen Iran vor Foto: Björn Trotzki/imago

Brüssel taz | Annalena Baerbock hatte den richtigen Riecher: Die deutsche Außenministerin schwänzte am Montag das Treffen mit ihren EU-Amtskollegen in Luxemburg – und verpasste so einen der schwierigsten Ministerräte der letzten Zeit. Die Ukraine, Iran, die Lage in Nahost und die Krise in Georgien standen auf der Tagesordnung. Doch Lösungen hatten die Chefdiplomaten nicht im Angebot.

Am schnellsten einigte man sich beim Thema Iran: Ohne große Debatte verhängten die EU-Außenminister neue Sanktionen, die mit der vermuteten Lieferung ballistischer Raketen an Russland begründet werden. Die Strafmaßnahmen sollen Unternehmen, Einrichtungen und Personen treffen, die an Produktion und Lieferung beteiligt sind. Die EU hatte Iran mehrfach verwarnt. Das Mullah-Regime in Teheran bestreitet allerdings, Moskau im Krieg gegen die Ukraine mit Raketen zu beliefern.

„Ich habe das mehrmals gesagt und sage es noch mal: Iran liefert keine ballistischen Raketen an Russland“, sagte Außenminister Abbas Araghtschi. Die geplanten EU-Sanktionen seien daher abwegig und nur ein Vorwand, um noch mehr Druck auszuüben. Das Dementi dürfte die Außenminister kaum kümmern. Die Beziehungen zu Teheran sind ohnehin auf dem Nullpunkt, die Sanktionen waren nicht umstritten.

Völlig anders sieht dies in der Nahostpolitik und im Verhältnis zu Israel aus. Das gesamte Wochenende über stritten EU-Dip­lomaten in Brüssel über die Frage, wie man Israels militärisches Vorgehen im Libanon bewerten solle. Die Erklärung, die der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Luxemburg präsentierte, lässt viele Fragen offen. Darin werden zwar die Attacken der israelischen Armee auf UN-Blauhelme scharf verurteilt: Sie stellten eine „ernste Verletzung des internationalen Rechts“ dar und seien „inakzeptabel“. Doch von Sanktionen oder anderen Folgen ist keine Rede.

Uneins in der Nahost-Politik

Der Grund: Deutschland, Ungarn und Tschechien stehen auf der Bremse, wenn es um Israel geht. Dagegen wollen Spanien, Frankreich und Italien endlich Taten sehen. Rom sprach von „Kriegsverbrechen“, Paris bestellte den israelischen Botschafter ein. Madrid brachte sogar Sanktionen ins Spiel. Regierungschef Pedro Sánchez rief die EU auf, das Freihandelsabkommen mit Israel auszusetzen.

Diese Forderung erhebt Spanien bereits seit Wochen; Deutschland hat sie abgeblockt. Mehr noch: Während die EU-Minister tagten, erklärte die Bundesregierung in Berlin, dass sie auch künftig Waffen an Israel liefern werde. Zuvor hatte Frankreich ein Waffenembargo ins Gespräch gebracht. Das zeigt, wie groß die Gräben sogar zwischen Berlin und Paris sind. Die EU ist in der Nahostpolitik handlungsunfähig, dies hat das Treffen in Luxemburg erneut gezeigt.

Etwas mehr Hoffnung gab es dann beim Thema Ukraine. Die Außenminister diskutierten mit ihrem neuen ukrainischen Amtskollegen Andrij Sybiha. Außerdem suchten sie nach Wegen, das Veto Ungarns gegen einen Hilfskredit in Höhe von 35 Milliarden Euro zu umgehen. Borrell legte einen Vorschlag vor, um weitere EU-Milliarden für Waffenkäufe aus der sogenannten Friedensfazilität frei zu machen. Auch hier stellt sich Ungarn quer. Dies gilt auch für den „Siegesplan“, den Präsident Wolodymyr Selenskyj in der vergangenen Woche in Rom, Paris und Berlin vorgestellt hatte. Das sei noch nicht spruchreif.

Zuständig ist ohnehin nicht die EU, sondern die Mitgliedstaaten, die Waffen liefern und – so Selenskyjs Wunsch – militärische Beschränkungen aufheben sollen. Dazu ist aber nicht einmal Berlin bereit. Kurz vor dem Gipfel am Donnerstag in Brüssel präsentiert sich die EU in schlechter Form. Dabei spitzen sich die Krisen rund um Europa bedenklich zu.

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