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„Naivität gepaart mit sonnigem Größenwahn“

Der Möchtegern-Waffenlieferant der Möchtegern-Lauterbach-Entführer bekommt Bewährungsstrafe

Aus München Dominik Baur

Sie planten das Ende der Bundesrepublik, wollten Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen und nahmen den Tod vieler Menschen in Kauf. Weil er die wirren bis irren Verschwörer unterstützte, ihnen Waffen für ihre Vorhaben zu liefern versprach, wurde jetzt in München ein 42-jähriger Mann zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Dabei war auch Julian V. für rechtsextremes Gedankengut offenbar durchaus empfänglich.

Der Vorsitzende Richter Philipp Stoll begann die Urteilsbegründung am Montagmittag mit zwei Zitaten. Von „kindlicher Naivität gepaart mit sonnigem Größenwahn“ habe V.s Verteidiger mit Blick auf seinen Mandanten gesprochen. „Brandgefährlich“ habe dagegen der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft dessen Tun genannt. „Das eine schließt das andere nicht aus“, befand nun Stoll und verurteilte den Mann, der da in grauer Trainingshose und Kapuzenpulli vor ihm saß, wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.

Nach seiner Überzeugung sei Julian V. kein Reichsbürger, so der Richter. „Herr V. hatte ganz andere Motive.“ Vor allem hob Stoll das besondere Geltungsbedürfnis des Angeklagten hervor. Auch seien dessen militärischen Vorlieben sehr ausgeprägt. In Kombination mit einer immer wieder auftretenden, „alkoholbedingten Enthemmung“ habe dies fatale Folgen gehabt.

Wie sich V. in sogenannten sozialen Netzwerken präsentierte, ging allerdings weit über sein Faible für alles Militärische hinaus. Als sein Lieblingszitat nannte er dort beispielsweise den SS-Wahlspruch „Meine Ehre heißt Treue“, eine in Deutschland verbotene Parole. Bei Richter Stoll kam so etwas nicht zur Sprache, er attestierte V. indes lediglich „eine Skepsis zu den Corona-Maßnahmen“ sowie „Distanz zur aktuellen Politik“.

V. war im Januar 2022 ins Visier der Ermittler geraten, als er sich in einer Telegram-Chatgruppe namens „Veteranenpool“ von einer Verschwörergruppe, die sich „Vereinte Patrioten“ nannte, anwerben hatte lassen. V. hatte behauptet, Kontakte in Kroatien zu haben, wo ihm zehn Tonnen Waffen und Munition überlassen würden, und sie den Umstürzlern angeboten. Bei einem Treffen im Allgäu zwei Monate später wurden weitere Details des Deals besprochen.

Es klingt wirr und nicht ganz ausgereift, was diese sich vorgenommen hatten. So sollte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach entführt werden. Außerdem sollte mit Anschlägen auf Strommasten ein großflächiger Stromausfall verursacht werden, der die deutsche Infrastruktur für mehrere Wochen lahmlegen sollte: Operation „Silent Night“.

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