Gefunden: junge Leute mit Hoffnung

Nach dem Austritt der vorherigen Spitze wollen Jette Nietzard und Jakob Blasel die Grüne Jugend führen. Auch sie sind links – aber noch nicht abgefressen

Jette Nietzard

Von Tobias Schulze

Die Zukunft der Grünen Jugend (GJ) nimmt Konturen an: Zwei Wochen nach der Ankündigung des gesamten Bundesvorstands, zurückzutreten und die Grünen zu verlassen, erklärten am Sonntag der 24-jährige Jakob Blasel und die 25-jährige Jette Nietzard ihre Kandidaturen. Dem Vernehmen nach werden sie im Verband breit unterstützt, beim Bundeskongress am kommenden Wochenende haben sie gute Wahlaussichten. Zuerst hatte am Morgen die Süddeutsche Zeitung über die Personalie berichtet.

Einen fundamentalen Richtungswechsel gäbe es unter dem Duo wohl nicht: Blasel und Nietzard verorten sich links und kritisieren den Kurs der Grünen in der Ampel. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen haben sie aber noch Hoffnung, die Partei durch die Arbeit im Jugendverband verändern zu können.

Blasels inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf der Klimapolitik. Der Student aus Lüneburg ist seit Jahren in der Klimabewegung aktiv und war Mitorganisator der ersten Demos von Fridays for Future in Deutschland. In seinem Bewerbungsschreiben an die Mitglieder der Parteijugend heißt es, man dürfe sich nicht „beim ersten Gegenwind zum Klimaschutz wegducken – sondern muss Lösungen finden, die sozial absichern und die Reichen zur Kasse bitten.“ Der Mitte-Kurs der Grünen befeuere am Ende nur den Rechtsruck.

Nietzard arbeitet aktuell für das Deutsche Kinderhilfswerk in Berlin. Eigenen Angaben zufolge ist sie 2019 zu den Grünen gekommen, weil sie „Kinderarmut beenden wollte“. Auf ihrem Tiktok-Kanal veröffentlicht sie Videos auch zu Themen wie Feminismus und Flüchtlingsrechten. In ihrem Bewerbungsschreiben heißt es, strategisch sei es ihr wichtiger, „wir können mit Menschen auf der Straße über Gerechtigkeit sprechen als kapitalistische Wirkmechanismen auf wissenschaftlichem Niveau wiedergeben“.

Das kann mal als Seitenhieb auf diejenigen lesen, die die Grüne Jugend verlassen. Beim scheidenden Vorstand und der ehemaligen Bundessprecherin Sahra-Lee Heinrich, die zusammen einen neuen Jugendverband gründen wollen, ist oft von Klassenstandpunkten die Rede. Allerdings tauchten in der Vergangenheit in ihren Kampagnen auch lebensnahe Themen auf, im Europawahlkampf ging es zum Beispiel um gestiegene Dönerpreise.

Zu den Zukunftsplänen der Aus­stei­ge­r*in­nen ist bislang wenig bekannt. Bis zum Bundeskongress und der Übergabe an den neuen Vorstand wollen sie sich mit Querschüssen zurückhalten. Unklar ist auch, wie viele Mitglieder mit ihnen den Verband verlassen werden. Offiziellen Angaben zufolge ist an der Basis der Grünen Jugend bisher keine Austrittswelle zu verzeichnen.

Man wolle die Grünen „an ihre Grundwerte erinnern und nach links schieben“

Angeschlossen haben sich allerdings Vorstandsmitglieder aus mehreren Landesverbänden. Schon über längere Zeit hatte sich die Funktionärsebene der Jugend von der eigenen Partei entfremdet. Inhaltlich haderten GJ-Vorstände mit vielen Kompromissen der Grünen in der Regierung. Auf Parteitagen mobilisierten sie zwar häufig Unterstützung für Protest­anträge. Mehrheiten erreichten sie trotzdem so gut wie nie. In der Folge hatten sie sich zuletzt schon weitestgehend aus Auseinandersetzungen in der Partei zurückgezogen.

Diejenigen, die bleiben, hoffen nun auf einen neuen Schwung. Timon Dzienus war bis 2023 selbst Bundessprecher der Grünen Jugend, will nächstes Jahr für den Bundestag kandidieren, mischt im Hintergrund aber auch im Jugendverband weiter mit. Der taz sagte er, er unterstütze die beiden neuen Kandidat*innen. „Mit Jette Nietzard gewinnt die Grüne Jugend eine unglaublich begeisterte Kämpferin für sozia­le Gerechtigkeit. Jakob Blasel steht wie kein anderer für konsequenten und sozialen Klimaschutz“, sagte Dzienus.

„Die beiden werden die Auseinandersetzung in und mit der Grünen Partei sicherlich wieder mehr suchen. Ich traue den beiden dabei sehr viel zu“, so Dzienus. Gerade jetzt sei eine starke Grüne Jugend dringend nötig. Er rechne fest damit, dass „beide die Grüne Jugend wieder zu einem wichtigen Machtfaktor in der Grünen Partei machen werden“. Das sei der Jugendverband schon in den letzten Jahren immer wieder gewesen, etwa in der Debatte um die Abbaggerung von Lützerath im rheinischen Kohlerevier.

Weiter Kritik an der Ampel: die KandidatInnen Jette Nietzard und Jakob Blasel Fotos: Die Grünen, imago

Der Kandidat Blasel sagt in seinem Bewerbungsschreiben, er teile ausdrücklich „die Kritik an der Ampel und an den Grünen von denen, die gehen“. Auch Nietzard schreibt von „Frustmomenten“ in den letzten Jahren, gibt sich aber zuversichtlich: „Gemeinsam werden wir Bündnis 90/Die Grünen von Kreisverband bis Bundesebene an ihre Grundwerte erinnern und nach links schieben.“ Offen bleibt, was sie anders machen wollen als ihre Vorgänger*innen, um parteiintern mehr zu erreichen. Für Nachfragen waren sie am Sonntag nicht zu sprechen.

Nachdem der alte Vorstand seinen Rücktritt angekündigt hatte, gab es bei einigen Grünen allerdings auch ganz andere Ambitionen: Manche Rea­los hatten die Hoffnung, dass ihr Flügel künftig wieder Einfluss im stark links geprägten Jugendverband erhalten wird. Zumindest in der möglichen Doppelspitze spiegelt sich das jetzt nicht wider. Zu besetzen sind auch noch weitere Vorstandsposten. Aussichtsreiche realo-nahe Kandidaturen gab es bis Sonntagmittag aber auch dafür nicht.