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Parteitag von Schleswig-Holsteins GrünenIm Norden herrscht noch Harmonie

Auf dem Parteitag von schleswig-holsteins Grünen steht die Asylpolitik im Mittelpunkt. Von „roten Linien“ ist die Rede und am Ende stimmt der Beifall.

Gelöste Stimmung: Noch-Parteichef Omid Nouripour (M.) in Neumünster mit seinen Landes-Pendants Gazi Freitag und Anke Erdmann Foto: Axel Heimken/dpa

Neumünster taz | Vor der Tür des Saals, in der der Landesparteitag der Grünen tagt, steht eine Gruppe Jung-Grüner. Keine Lust, drinnen mitzuarbeiten? „Nee, wir sind ja keine Delegierten“, antwortet einer. Aber sie sind da, sichtbar, ansprechbar und bereit, sich weiter in der Partei zu engagieren, nachdem die meisten Vorstandsmitglieder der Nachwuchsorganisation in den vergangenen Wochen ausgetreten sind.

„Millionäre verbieten“, steht auf der Stofftasche, die einer aus der Runde über der Schulter trägt. Wie wichtig die soziale Frage für den grünen Nachwuchs ist, machten dessen Vertreterinnen Maya Vriesema und Jaqueline Kühl in einem Statement klar: „Wir sparen am Sozialen und fragen uns, warum bei den Wahlergebnissen der braune Balken immer länger wird“, sagte Vriesema.

Kühl zählte auf, was auch die jetzige Regierung nicht anpacke: „Es fehlt Geld für Bildung, Kindergrundsicherung, Energie-Zuschuss.“ Die Grünen müssten die Verteilungsfrage stellen: „Wir müssen uns öffentlich mit Konzernen, Mietriesen und Reichen auseinandersetzen.“ Es sei verständlich, dass sich Menschen, denen es wirtschaftlich schlecht gehe, nicht mit Arten- und Klimaschutz befassen wollten.

Dafür gab es reichlich Beifall und Zustimmung, etwa vom alten und neuen Ko-Landesvorsitzenden Gazi Freitag. Auch der Flensburger EU-Abgeordnete Rasmus Andresen sagte am Rand des Parteitags, er könne die Position der Jungen gut nachvollziehen: „Die Partei muss sich sozialer aufstellen.“ Es gelte, deutlich zu machen, dass der Klimawandel gerade die sozial Schwächsten am stärksten treffe.

Es darf keine Aushöhlung des Rechts auf Asyl und keine Abschiebung in unsichere Länder geben

Gazi Freitag, alter und neuer Landesparteichef

Das unterstrich der scheidende Bundesvorsitzende Omid Nouripour, der als Gast auf dem Parteitag sprach: „Die Klimakrise bedroht uns am meisten; ihre Lösung ist eine Menschheitsaufgabe.“ Trotz ständig neuer Katastrophenmeldungen würden sich nur die Grünen um das Thema kümmern. „Lasst uns alles tun, um den Planeten zu retten, um weniger geht es nicht“, rief Nouripour und erhielt dafür Standings Ovations.

Doch statt über Klima oder Umverteilung debattiert die Öffentlichkeit vor allem über Migration. Auch beim Parteitag rutschte ein Antrag zu Artenschutz und Flächenerhalt weit nach hinten in der Tagesordnung, während die Asyldebatte im Mittelpunkt stand. Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen und schnellere Abschiebungen fordern inzwischen auch die Länder Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, in denen die Grünen mitregieren.

Das sei nicht leicht gewesen, bekannte Gazi Freitag. Aber es gebe klare Signale aus den Kommunen, die über Überlastung durch Zuzug klagten. „Wir stehen fest hinter den Beschlüssen – aber es darf keine Aushöhlung des Rechts auf Asyl geben“, so Freitag. Als „rote Linien“ nannte er, dass der Zugang zu fairen Verfahren erhalten bleiben müssen, zudem dürfe es keine Abschiebung in unsichere Länder geben.

Sozialministerin Aminata Touré sprach von einem „Überbietungswettbewerb von Abschottung und Abgrenzung“ in der Migrationsdebatte, der besorgniserregend sei. Sie forderte unter anderem rascheren Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete: So sollen bereits in der Erstaufnahme Kontakte mit dem Arbeitsmarkt geknüpft werden und Geflüchtete dann dort einen Wohnsitz bekommen, wo ihre Qualifikation gebraucht wird. Touré erhielt Beifall, genau wie ein zweiter Antrag, die „Migrationsdebatte ganzheitlich zu denken“ und etwa mehr Sprachkurse oder Integration anzubieten.

„Unsere Demokratie wird derzeit massiv bedroht – von innen wie außen“, warnte der Bundestagsabgeordnete und Sicherheitsexperte Konstantin von Notz. Das betreffe Hass und Hetze gegen engagierte Bürger:innen, Wis­sen­schaft­le­r:in­nen und Politiker:innen, aber auch das Ausspionieren und die Bedrohung kritischer Infrastruktur wie Gasleitungen, Bundeswehreinrichtungen oder Firmen – die Drohnen über Brunsbüttel sind ein Beispiel dafür. „In Schleswig-Holstein liegen wichtige Teile dieser Infrastruktur“, so von Notz. Er fordert unter anderem mehr Mittel für Spionageabwehr. Auch dieser Antrag erhielt deutliche Zustimmung.

Die harmonische Stimmung beim Parteitag erklärte ein Grüner Mandatsträger mit der Lage in Schleswig-Holstein: Die Regierung aus CDU und Grünen hat weiter hohe Zustimmungswerte, zudem gewinnt die Partei an Mitgliedern.

Die Zufriedenheit zeigte sich auch bei den Wahlen: Gut 94 Prozent der Delegierten stimmten für die Wiederwahl von Anke Erdmann als Vorsitzende, Gazi Freitag erhielt 82 Prozent. Erdmann betonte in ihrer Bewerbungsrede die Bedeutung der Grünen: „Das Land braucht einen Zukunftsmotor und nicht die Ewiggestrigen.“ Gegen CSU-Chef Markus Söder, der mit Blick auf die Bundestagswahl offenbar Schwarz-Grün als größtes Problem ansehe, teilte sie aus: „Was für ein Knallkopp.“

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2 Kommentare

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  • Die Grünen sind in SH seit vielen Jahren Teil der Regierung.



    Dies hat sich im Land nie wirklich im Sinne der eigenen Programmatik bemerkbar gemacht.



    SH ist wegen seiner Intensivlandwirtschaft eines der dreckigsten Bundesländer.



    Fast alle Seen und Flüsse sind überdüngt und stark mit Pestiziden belastet. Die Ostsee wird durch hohe Nährstoffrachten abgetötet.

    Grüne Umwelt- und Landwirtschaftsminister haben daran wenig geändert.



    Man fiel eher durch Genehmigungen für die Dezimierung der Wildschweinpopulation zum Schutz der Massentierhalter und Abschußgenehmigungen von Wölfen als durch engagierten Naturschutz auf.

    Der ÖPNV ist in vielen ländlichen Bereichen kaum existent, die Elektrifizierungsquote der Bahn in SH auf dem Niveau von Entwicklungsländern.

    Der Ausbau der Windkraft ist ebenfalls nur bedingt Ergebnis grüner Politik: Dieser ging viele Jahre eher auf das Konto der vorherigen Küstenkoalition unter Führung der SPD.

    Stattdessen: marode Küstenschutzdeiche an der Ostsee und fehlender Klimaschutz im Land.



    Und neuerdings eine Asylpolitik auf AfD-Niveau.

    Von welchen roten Linien wird da geredet?

  • Nun gut, die Realpolitik spricht für die Grünen in SH, auch ein wenig gegen sie, denn zumindest der Soziale Wohnungsbau dümpelt eher vor sich hin, in Kiel gibt es immer am Semesteranfang das Problem, dass Studenten nach einer Bleibe suchen. Wie viele mit Zügen lange Strecken täglich zurück legen müssen, diese Frage stellt sich keiner so gerne. Überhaupt ist die Frage, wie ein positives, selbstbestimmtes Leben in SH aussieht, schwierig zu beantworte oder eben leicht, wer viel Geld hat, oder verdient, der kriegt es auch gut hin, wer nicht in diese Kategorie fällt, der muss kämpfen, sich durchschlagen und viel erdulden.



    Trotzdem würde ich sagen, die Grünen schlagen sich gut und wacker, aber die CDU ist nicht ohne, auch Günter ist so ein Fall, er fordert einfach die Einführung der Wehrpflicht und hat auch klare Statements gegen Geflüchtete getätigt, die durchaus von weiter rechts hätten kommen können.



    Insofern kein eitler Sonnenschein über den Sonneblumen in Kiel und Flensburg.