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Ramstein ist zwar ein zentraler US- und Nato-(!) Truppenstützpunkt, liegt aber auf deutschem Territorium. Die internationale Verteidigungskonferenz für die Ukraine hätte also trotzdem dort stattfinden können: Scholz hätte von Biden den Vorsitz übernehmen, die USA auf Staatsekretärsebene vertreten sein können. Das hätte kollektive internationale Verteidigungsfähigkeit nach internationalem Recht und auf Augenhöhe der beteiligten Staaten auch ohne einen traditionellen Leithammel demonstriert. Bis auf die 3. Nachkommastelle hätte die finanzielle / materielle Unterstützung dabei noch nicht beschlossen werden müssen. Und Selenskyj wäre die Nötigung, stattdessen bei den potentiell unterstützenden Regierungen einzeln hausieren gehen zu müssen, erspart geblieben.
Aber immerhin ein weiterer Beweis dafür, dass die Erweiterung des vergleichsweise harmlosen Nato-Selbstschutz-Bündnisses gen Osten keinerlei Bedrohung für Russland darstellte und überhaupt keine Legitimation für den Putinschen "Präventiv"-Eroberungskrieg war/ist.
Oder Meloni hätte den Vorsitz übernommen.Gut, dass sie die Wiederaufbaukonferenz ausrichten will. Ist aber erst der 3. Schritt und wirkt z.Z. eher noch wie Rosinenpicken.
Auch wenn das unpopulär ist, der Bundeswehretat muss rauf. Solange die Schuldenbremse steht, geht das nur über Kürzungen beim Sozialetat oder über Abgabenerhöhungen. ZB beim Rentenzuschuss aus dem Bundesetat von 100 Mrd. Im Zeichen der Generationenbalance nur lösbar durch Beitragserhöhungen und gleichzeitiger Anhebung des Eintrittsalters . Das wäre sogar mehrheitsfähig, weil ja beide Seiten beisteuern müssten.
Weil der uS-Präsident nicht nach Ramstein gereist ist, ist jetzt die ganze militärische Unterstützung der Ukraine in Frage gestellt? Ja, das könnte passieren, wenn sich Biden im US-Wahlkampf nicht energisch dem Orangenen und dessen Lügen entgegenstellt.
Mit den Hurrikans im Süden der USA ist dort eine nationale Notlage entstanden, die Trump gnadenlos ausschlachten wird. Da muss der Präsident Präsenz zeigen!
Vielleicht muss man sich einfach auch mal mit dem Gedanken abfinden, dass der Ukrainekrieg nach zweieinhalb Jahren einfach nicht mehr die alles beherrschende Schlagzeile ist. Dass das alles sehr zum Nachteil der Ukrainer gereicht, ist klar und ein unauflösbares Dilemma.
Die USA, Europa und ja auch wir können es uns schlicht nicht mehr leisten, bei leeren Kassen, weiterhin diesen Krieg zu finanzieren. Es müssen Verhandlungen her und zwar sehr bald. Und ja, die Ukraine wird Gebiete abgeben müssen. Aber allemal besser als noch jahrelang Krieg zu führen. Wir haben ein Klimaproblem, das will gemeistert sein und dazu muss es angepackt werden. Dazu braucht es Geld, viel Geld.
Das Problem wabert im Kanzleramt und in der Fraktionsspitze. Auch mein geliebtes Frankreich enttäuscht beträchtlich!!!
"Europa ist jetzt gefragt"
Dem muss ich wiedersprechen. Es müsste heißen: Washington ist gefragt.
Die Politik des Westens wird in Washington festgelegt. Die USA ist mit Abstand das wichtigste und mächtigste Land im Westen. Es wird keine europäische Politik gegen die Interessen der USA geben - auch sind hier die Interessen der europäischen Länder sehr unterschiedlich.
Vieles spricht dafür, dass Washington den Krieg primär als Krieg um den Erhalt der russischen einflusssphäre betrachtet und nicht als "Expansionskrieg". Folglich möchte man nicht, dass es wegen so einen Krieg zu einer Eskalation kommen würde.
Für die Ukraine sind das natürlich keine guten Nachrichten.
Ich empfehle mal die Auflistung des Militärpotentials Russlands und des Westens. Russland ist deutlich unterlegen. Also spezialisiert sich Russland auf Feuerkraft/Artillerie.
Und in so einem Krieg ist die Ukraine verdammt: Zu wenige Artillerie (auch weil der Westen das so nicht hat), zu wenige Menschen.
Unterstützung für die Ukraine: Europa ist jetzt gefragt
Egal wer die US-Wahl gewinnt – das Land wird in Zukunft kein verlässlicher Unterstützer mehr sein. Es wird schwerer für die Ukraine.
Selenskyj im Bundeskanzleramt Foto: Kay Nietfeld/dpa
In einer Hauruck-Aktion kündigten die USA den großen Soli-Aufschlag für die Ukraine an. Mehr als 20 Staats- und Regierungschefs sollten nach Ramstein kommen und dort einmal mehr ihre Unterstützung für die Ukraine im Kampf gegen den russischen Aggressor bekunden. As long as it takes – dieser Solidaritätsspruch sollte neu unterfüttert werden – im Beisein des noch amtierenden US-Präsidenten Joe Biden.
Doch die Katastrophenlage in der Heimat machte den Plan zunichte. Und machte zugleich deutlich: Die Innenpolitik, aktuell der Hurrikan, steht ganz oben auf der Prioritätenliste der USA. Der Beistand für die Ukraine ist im Vergleich nicht mehr so wichtig.
Das war es dann mit der „historischen“ Woche für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die Absage des Ramstein-Gipfels seitens der USA auf unbestimmte Zeit zeigt die Abhängigkeit der Ukraine-Solidarität von den Amerikanern. Und so versucht es Selenskyj auf seine Art und tingelt durch die wichtigsten europäischen Staaten – für sein Land, das in wenigen Monaten das dritte Kriegsjahr hinter sich haben wird: London, Paris, Rom und schließlich Berlin.
Selenskyj fehlt nach wie vor ausreichend Kriegsgerät – trotz einer neuen Zusage an Militärhilfe im Wert von 1,4 Milliarden Euro unter deutscher Beteiligung –, um militärisch auf Augenhöhe gegen den russischen Präsidenten Putin agieren zu können. Die täglichen Verluste und Frontverläufe machen dies deutlich. Hinzu kommt: Der Winter naht, und die zerstörte Energieversorgung wird ohne mehr Geld nicht wiederaufgebaut werden können. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Putin attackiert die ukrainische Zivilbevölkerung – und das mit Erfolg. So die bittere Erkenntnis.
Im Wettlauf der Krisen hat die Ukraine derzeit den Kürzeren gezogen
Nun muss Europa ran. In Zeiten angespannter Haushalte und politischer Krisen – Frankreich ist das beste Beispiel dafür – ist schwerste Lobbyarbeit gefragt. Denn klar ist, dass die Europäer die USA als wichtigsten Waffengeber, als Bollwerk gegen Putin, in der Zukunft nicht mehr verlässlich einplanen können. Und dies ist offenbar unabhängig vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahl Anfang November.
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni prescht nun voran. Sie will die nächste Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine 2025 in Italien ausrichten. Dieser Gipfel für Wirtschaftshilfe ist zwar ein löbliches Ansinnen. Der aktuelle Wunsch nach mehr Waffen, nach Luftabwehr und Kampfjets wird damit jedoch nicht erfüllt. Ob es bis dahin zu wie auch immer gearteten Friedensbemühungen kommt, ist pure Spekulation.
Die Städtetrips Selenskyjs sollen dafür sorgen, dass der britische Premier Starmer, der französische Präsident Macron, Meloni und auch der deutsche Kanzler Scholz ihre Stimme innerhalb Europas starkmachen. Nach über zweieinhalb Jahren Krieg schwächelt der Rückhalt – vor allem in der Europäischen Union. Die ungarische Ratspräsidentschaft hat den Weg zu einem sogenannten Frieden medienwirksam auf der Agenda.
Es bleibt also wenig Anlass für Optimismus. Im Wettlauf der internationalen Krisen zieht die Ukraine derzeit den Kürzeren.
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kommentar von
Tanja Tricarico
Ressort ausland
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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Journalismus im Angriffskrieg – taz Talk