Unterstützung für die Ukraine: Europa ist jetzt gefragt

Egal wer die US-Wahl gewinnt – das Land wird in Zukunft kein verlässlicher Unterstützer mehr sein. Es wird schwerer für die Ukraine.

Selenskyj schaut auf unscharfen Scholz

Selenskyj im Bundeskanzleramt Foto: Kay Nietfeld/dpa

In einer Hauruck-Aktion kündigten die USA den großen Soli-Aufschlag für die Ukraine an. Mehr als 20 Staats- und Regierungschefs sollten nach Ramstein kommen und dort einmal mehr ihre Unterstützung für die Ukraine im Kampf gegen den russischen Aggressor bekunden. As long as it takes – dieser Solidaritätsspruch sollte neu unterfüttert werden – im Beisein des noch amtierenden US-Präsidenten Joe Biden.

Doch die Katastrophenlage in der Heimat machte den Plan zunichte. Und machte zugleich deutlich: Die Innenpolitik, ak­tuell der Hurrikan, steht ganz oben auf der Prioritätenliste der USA. Der Beistand für die Ukraine ist im Vergleich nicht mehr so wichtig.

Das war es dann mit der „historischen“ Woche für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die Absage des Ramstein-Gipfels seitens der USA auf unbestimmte Zeit zeigt die Abhängigkeit der Ukraine-Solidarität von den Amerikanern. Und so versucht es Selenskyj auf seine Art und tingelt durch die wichtigsten europäischen Staaten – für sein Land, das in wenigen Monaten das dritte Kriegsjahr hinter sich haben wird: London, Paris, Rom und schließlich Berlin.

Selenskyj fehlt nach wie vor ausreichend Kriegsgerät – trotz einer neuen Zusage an Militärhilfe im Wert von 1,4 Milliarden Euro unter deutscher Beteiligung –, um militärisch auf Augenhöhe gegen den russischen Präsidenten Putin agieren zu können. Die täglichen Verluste und Frontverläufe machen dies deutlich. Hinzu kommt: Der Winter naht, und die zerstörte Energieversorgung wird ohne mehr Geld nicht wiederaufgebaut werden können. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Putin attackiert die ukrai­nische Zivilbevölkerung – und das mit Erfolg. So die bittere Erkenntnis.

Im Wettlauf der Krisen hat die Ukraine derzeit den Kürzeren gezogen

Nun muss Europa ran. In Zeiten angespannter Haushalte und politischer Krisen – Frankreich ist das beste Beispiel dafür – ist schwerste Lobbyarbeit gefragt. Denn klar ist, dass die Europäer die USA als wichtigsten Waffengeber, als Bollwerk gegen Putin, in der Zukunft nicht mehr verlässlich einplanen können. Und dies ist offenbar unabhängig vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahl Anfang November.

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Me­lo­ni prescht nun voran. Sie will die nächste Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine 2025 in Italien ausrichten. Dieser Gipfel für Wirtschaftshilfe ist zwar ein löbliches Ansinnen. Der aktuelle Wunsch nach mehr Waffen, nach Luftabwehr und Kampfjets wird damit jedoch nicht erfüllt. Ob es bis dahin zu wie auch immer gearteten Friedensbemühungen kommt, ist pure Spekulation.

Die Städtetrips Selenskyjs sollen dafür sorgen, dass der britische Premier Starmer, der französische Präsident Macron, Meloni und auch der deutsche Kanzler Scholz ihre Stimme in­nerhalb Europas starkmachen. Nach über ­zweieinhalb Jahren Krieg schwächelt der Rückhalt – vor allem in der Europäischen Union. Die ungarische Ratspräsidentschaft hat den Weg zu einem sogenannten Frieden medienwirksam auf der Agenda.

Es bleibt also wenig Anlass für Optimismus. Im Wettlauf der internationalen Krisen zieht die Ukrai­ne derzeit den Kürzeren.

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Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org

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