KI-Chatbots: Chatten gegen Verschwörungsmythen
Verschwörungserzählungen sind weit verbreitet. Eine neue Studie zeigt, dass KI-Systeme wie ChatGPT helfen können, Menschen mit Fakten zu überzeugen.
Die Erde ist eine Scheibe, der Klimawandel ist frei erfunden und Hillary Clinton ist ein Reptiloid – Verschwörungsmythen kommen in sehr unterschiedlichen und problematischen Farben und Formen daher. Wenn Menschen und ihr Umfeld daran glauben, ist es schwer, sie mit rationalen Argumenten zurückzuholen. Dabei ist eine gemeinsame Faktenbasis für jeden gesellschaftlichen Diskurs unabdingbar. Wie kommt man also gegen Verschwörungserzählungen an?
Die Studie
Forscher:innen haben 2.190 Amerikaner:innen, die nach eigenen Angaben an unterschiedliche Verschwörungen glaubten, zum Gespräch mit einer KI gebeten. Zum Einsatz kam das Large Language Model GPT-4 Turbo der Firma OpenAI. Die Proband:innen haben dem Sprachmodell dabei in drei Runden einen Verschwörungsmythos mit vermeintlichen Beweisen präsentiert, die sie für wahr halten. Die KI war damit beauftragt, auf die präsentierte Evidenz zu antworten und dabei den Glauben der Proband:innen an den Verschwörungsmythos zu reduzieren.
Etwa achteinhalb Minuten dauerte der Austausch zwischen Verschwörungsgläubigen und KI im Mittel. Durchschnittlich konnte der Glaube an die jeweiligen Verschwörungserzählungen dabei um 20 Prozent reduziert werden. Dieser Effekt war nicht nur kurzfristig, sondern hielt über mindestens zwei Monate an. Selbst verhältnismäßig tief im Weltbild verwurzelte Verschwörungen wie der Glaube an Betrug bei der US-Präsidentschaftswahl 2020 konnten mithilfe der Argumente der KI etwas entschärft werden.
Die Forscher:innen untersuchten außerdem die Auswirkungen verschiedener Faktoren wie Alter, politische Einstellung und Bildung auf die Ergebnisse. Hier stellten sie keinen Einfluss fest. Aber die Variablen „Vertrauen in generative KI“ und „Vertrauen in Institutionen“ waren ausschlaggebend. Wenn diese Variablen besonders ausgeprägt waren, konnte die KI den Glauben an Verschwörungserzählungen stärker reduzieren als bei anderen Proband:innen.
Du liest einen Text aus unserem Zukunfts-Ressort. Wenn Du Lust auf mehr positive Perspektiven hast, abonniere TEAM ZUKUNFT, den konstruktiven Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien. Jeden Donnerstag bekommst du von uns eine Mail mit starken Gedanken für dich und den Planeten.
Fraglich ist, ob sich die Erkenntnisse auf den Alltag anwenden lassen. Die Proband:innen meldeten sich freiwillig für das Experiment und zeigten sich damit offen für eine sachliche Diskussion, was nicht bei allen Verschwörungsgläubigen so ist.
Was bringt’s?
Vielleicht ein bisschen Hoffnung. Nur weil Menschen an Verschwörungserzählungen glauben, sind sie nicht komplett unempfänglich für sachliche und faktenbasierte Argumente. Der Teil der Gesellschaft, der an wissenschaftliche Fakten glaubt, hat also – selbst bei Menschen mit gefestigtem Glauben an Verschwörungserzählungen – noch die Chance, diese mit Fakten zu überzeugen. Vielleicht nicht unbedingt im persönlichen Gespräch, aber unter Zuhilfenahme von Chatbots.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen