Wirtschaft in China: Die Stimmung droht zu kippen
Die Regierung in der Volksrepublik hat ein großes Konjunkturpaket angekündigt – doch das lässt auf sich warten. Das enttäuscht die Börsen.
Seoul taz | Unter Angestellten hat die Börsen-Rally der letzten Wochen in China für ungewöhnlich gute Stimmung gesorgt. Vor den Büros der Börsenmakler standen die Menschen bis in die Abendstunden an. Jeder wollte von den Gewinnen profitieren, die der heimische Aktienmarkt abwarf. Es war, als folgte nach einer langen Durststrecke der lang ersehnte Geldregen.
Angeheizt wurde die Euphorie von einer Reihe von Konjunkturmaßnahmen, die Chinas Regierung angekündigt hatte. Die Investoren gingen fortan davon aus, dass Xi Jinpings Parteiführung nun aufs Ganze gehen würde, um das selbst gesteckte Ziel von fünf Prozent Wirtschaftswachstum für 2024 zu erreichen. Doch war auch klar, dass für ein nachhaltiges Ankurbeln der Konjunktur weitere Maßnahmen folgen müssten.
Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an die Pressekonferenz, zu der die Staatliche Kommission für Entwicklung und Reform am Dienstag geladen hatte. Doch statt Maßnahmen gab es dort vor allem vage Rhetorik und altbekannte Worthülsen.
Als einzig nennenswerte Maßnahme kündigten die Planer Konjunkturspritzen in Höhe von umgerechnet nur 13 Milliarden Euro an. „Keine Pressekonferenz wäre wohl besser für die Märkte gewesen“, erklärte Shehad Qazi vom New Yorker Analysehaus China Beige Book. Der Hongkonger Hang Seng Index stürzte dann auch vor der Mittagspause um über neun Prozent ab, ehe er sich wieder etwas erholte.
Soziale Stabilität in Gefahr
Tatsächlich aber dürften die in den letzten Wochen gestiegenen Aktienkurse der chinesischen Parteiführung Sorgen bereiten. Denn der Grund hierfür war vor allem eine kollektive Wette, deren Ausgang vollständig offen ist. Sollte die Stimmung nun tatsächlich kippen, könnte dies die soziale Stabilität im Land bedrohen.
Breite Bevölkerungsschichten haben in den letzten Jahren deutliche Wohlstandsverluste hinnehmen müssen – aufgrund der Immobilienkrise, aber auch durch Jobverluste und Gehaltskürzungen. Gleichzeitig hat die Mittelschicht nun viel Geld in heimische Aktien gesteckt. Mit jedem Bürger und jeder Bürgerin, die bei dieser riskanten Wette das Ersparte verliert, würde der soziale Frust steigen.
Allein im ersten Halbjahr 2024 sind laut staatlichen Angaben über eine Million Restaurants in China pleite gegangen, das Vertrauen der Verbraucher ist offensichtlich angeschlagen. Wang Xiangwei von der South China Morning Post schreibt, dass er während der letzten zwei Jahre immer wieder dasselbe Klagelied hörte: „Unser Geld geht zur Neige.“
Leser*innenkommentare
vieldenker
Auch in Xina gibt es keine Wunderwirtschaft. Allen staatskapitalistischen Planern zum Trotz. Die können den Absturz nur länger verschleiern.