Umstellung von UKW auf DAB+: Freies Radio vor dem Aus

Das Freie Sender-Kombinat (FSK) in Hamburg steht vor der Pleite. Wie andere freie Radios droht es, im Strudel der Digitalisierung unterzugehen.

ein Mann putzt einen uralten funk-empfänger

Freie Radios entstanden in den 80ern aus Protestbewegungen und professionalisierten sich mit den Jahren Foto: Frank May/dpa

HAMBURG taz | 24/7 auf Sendung, unabhängig und unkommerziell seit über zwanzig Jahren – damit könnte bald Schluss sein. Das Freie Sender-Kombinat (FSK), Hamburgs freier Radiosender, muss sich voraussichtlich abschalten. „Wir stehen kurz vor der Pleite“, sagt der FSK-Redakteur Michael Nicolai.

Aktuell fehlten dem Sender 10.000 Euro – eine große Summe für ein Projekt, das von kleinen Förderbeiträgen lebt und ehrenamtlich betrieben wird. „Wenn sich die Situation nicht ändert, müssen wir nächsten Sommer Konkurs anmelden“, sagt Nicolai.

Das FSK existiert seit 1993, seit 2001 sendet es durchgehend auf 93,0 MHz. Freie Radios gingen deutschlandweit in den 1970er- und 1980er-Jahren aus linken Protestbewegungen hervor und professionalisierten sich im Laufe der Jahre. Sie setzen explizit nicht auf marktorientierte Reichweite, sondern verstehen sich als Stimmen der Gegenöffentlichkeit.

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Schleswig-Holstein prescht vor

Zwar konnte sich das FSK in seiner Anfangszeit noch damit rühmen, durch Fördermitgliedschaften der Hö­re­r*in­nen völlig unabhängig von staatlichen Geldern zu existieren. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Seit 2012 erstattet die Landesmedienanstalt dem Sender die Kosten für seine UKW-Frequenz – die allerdings schwach ist und nur ein Drittel des Stadtgebiets erreicht. Aber dann kam die Umstellung auf DAB+. Beziehungsweise kam nicht. Sie wird kommen, aber niemand weiß, wann.

Die Umstellung vom analogen Verbreitungsweg Ultrakurzwelle (UKW) auf Digital Audio Broadcast (DAB+) wird seit dem Jahr 2000 in Deutschland diskutiert und kommt in allen Bundesländern unterschiedlich schnell oder auch gar nicht voran. Klar ist aber, dass einzelne Radiosender sich ihr nicht entziehen können.

Die meisten wollen sich dem Wandel auch nicht widersetzen, das Problem ist nur: Das Umstellen auf digital ist teuer. Und freie Radios haben kein Geld. Sie drohen, bei der Digitalisierung unter die Räder zu kommen.

Während Bayern die UKW-Frequenzen bis mindestens 2035 behalten will und auch Sachsen erst mal Abstand von DAB+ genommen hat, prescht Schleswig-Holstein vor. Das Bundesland will im nächsten Jahr als erstes Verbreitungsgebiet anfangen, die UKW-Frequenzen abzuschalten. Weil Hamburg und Schleswig-Holstein sich eine Medienanstalt teilen, betrifft das auch das FSK. Zwar ist unklar, wann Hamburg die analogen Frequenzen abdreht. „Aber der Druck ist groß“, sagt Nicolai.

Jan Bönkost, Medienwissenschaftler

„Freie Radios werden politisch wahnsinnig unterschätzt“

Als die Landesmedienanstalt Hamburg-Schleswig-Holstein vor zwei Jahren DAB+-Lizenzen neu vergab, bewarb sich das FSK um eine Frequenz und bekam eine – allerdings in der Annahme, die Medienanstalt würde den Sender bei der Finanzierung unterstützen.

Denn das FSK will die UKW-Frequenz nicht aufgeben, solange sich DAB+ noch nicht durchgesetzt hat. Mit 53 Prozent ist UKW derzeit noch die deutschlandweit meistgenutzte Empfangsart. Seit zwei Jahren sendet FSK also auf beiden Wegen und muss einen davon selbst zahlen, obwohl es sich das nicht leisten kann.

Hat die Redaktion also einfach schlecht kalkuliert? Nicolai bestreitet das. „Wir hatten aus Schleswig-Holstein positive Signale für eine Doppelfinanzierung bekommen“, sagt er. Der damalige medienpolitische Sprecher der Grünen, Lasse Petersdotter, etwa habe stets vermittelt: „Wir kriegen das schon hin.“ Doch das war im Landtagswahlkampf. Seit Petersdotter Fraktionsvorsitzender ist, sei der Terminkalender voll und das Interesse gering, sagt Nicolai.

Bei den anderen Fraktionen sehe es nicht anders aus. „Man merkt bei allen, dass man auf der Prioritätenliste ganz unten steht“, sagt Nicolai. Lediglich der Abgeordnete Lars Harms vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) hatte vor einem Jahr im Landtag beantragt, freie Radios besser zu finanzieren, um ihren „Tod auf Raten“ zu verhindern. Der Antrag sei abgebügelt worden.

Petersdotter weist die Vorwürfe auf taz-Nachfrage zurück. Dass er sich zuletzt nicht mehr aktiv mit dem Thema beschäftigt habe, liege daran, dass Medienpolitik nicht mehr sein Schwerpunkt sei. „Wenn die Umstellung auf DAB+ zu existenziellen Herausforderungen beim FSK oder anderen Radios führt, sollten wir darüber natürlich sprechen“, sagt Petersdotter.

Unabhängigkeit vs. staatliche Finanzierung

„Freie Radios werden politisch wahnsinnig unterschätzt“, sagt der Medienwissenschaftler Jan Bönkost von der Universität Münster. Dabei seien sie als lokale Projekte und Sprachrohre für marginalisierte Positionen wichtige Orte der Demokratie. „Die Landesmedienanstalten müssten freie Radios vollkommen ausfinanzieren und als gesellschaftlich hoch bedeutsame Medieninstitutionen begreifen.“ Doch der Spagat zwischen maximaler Unabhängigkeit und finanziellen Nöten sei schwierig.

Dem FSK wäre es am liebsten, das Geld käme über neue Fördermitgliedschaften zusammen. Doch der Trend zeigt nach unten. Wegen der allgemeinen ökonomischen Unsicherheit, der Inflation, hätten viele Mitglieder ihre Förderbeiträge gestrichen, sagt Nicolai. Hinzu kam die Pandemie: Zum Teil seien langjährige Mitglieder ins Verschwörungsmilieu abgedriftet und hätten auch dem freien Radio entsagt.

Anders als etwa der öffentlich-rechtliche NDR hat das kleine FSK bisher keine ganzen Sendungen aus Spargründen gestrichen. Es bringt auch nichts, weil die Redaktion ja ohnehin ehrenamtlich arbeitet. Ein Produkt musste aber schon Federn lassen: Der Transmitter, das ursprünglich monatlich gedruckte Programm- und Debattenheft, erscheint nur noch alle zwei Monate.

Im aktuellen Heft ruft die Redaktion zum Abschluss von Fördermitgliedschaften auf. Doch das immerhin in gewohnt kämpferischem Ton: Die Notwendigkeit einer linken medialen Plattform sei selten größer gewesen als heute, schreibt die Redaktion. „Wir dürfen diesen diskursiven Raum nicht vor die Hunde gehen lassen!“

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