Jenni Zylka : Nur Sekt. Kein Selters
Neulich habe ich einen interessanten Artikel über die Krankheit Orthorexie gelesen, bei der man sich zwanghaft gesund ernähren muss, und soviel kann ich sagen: Die habe ich nicht. Im Gegenteil. Die von mir konsumierten Vitamine stammen üblicherweise nicht aus der nährstoffreichen Apfelschale, sondern aus der Puddinghaut. Meine Ernährungspyramide ist ein Quadrat, weil ich nichts sparsam in kleinen Portionen verzehre, sondern eigentlich bei allem zuschlage. Ich glaube daran, dass Schokolade austrocknet, wenn man die Tafel nicht aufisst. Regelmäßig koche ich das „Boursin-Omelette“ aus der Serie „The Bear“ nach, in dessen Rezept zwar kein Salz angeführt wird (was Herrn Lauterbach freuen wird), aber dafür ein Kilo Butter pro Portion, plus draufgekrümelte Onion-Sour-Cream-Chips.
Und wenn es stimmt, was die Spaßbremsen von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung neuerdings in Bezug auf Alkoholkonsum behauptet haben, dann Halleluja. Obwohl das ehrlich gesagt auch keinen großen Unterschied macht: Diese neuesten Empfehlungen raten komplett vom Trinken ab, weil es beim Konsum keine „unbedenkliche Menge Alkohol“ gäbe. Vorher wurde bei bis zu einem Glas Wein täglich das Arztauge zugedrückt. Dabei lautete die Frage doch schon immer: Wieso sollte man EIN Glas Wein trinken?! Eben.
Zudem scheint es von Mediziner zu Medizinerin unterschiedlich zu sein: Ein Bekannter schwor Stein auf Bein, seine Ärztin habe ihm regelmäßigen Sektkonsum gegen die Kreislaufprobleme verschrieben. Er verriet mir das mit einem Glas Sekt in der Hand, und blieb dabei ganz ernst. Mir fiel zwar direkt der Spruch ein, den ich gerade in der Serie „A perfect Couple“ über einen den lieben langen Tag am Whiskeyglas nippenden Protagonisten hörte: „He dimmed that cabin lights a long time ago.“ Aber ich habe mir den Namen der Praxis trotzdem geben lassen. Schließlich sagte Sylvie, eine der weisesten Figuren in „Emily in Paris“ neulich angesichts der irren Idee Emilys, einen alkoholfreien Rotwein auf dem französischen (!) Markt zu etablieren: „Nüchternheit ist die Antithese zu Kultur.“
Überhaupt wird mir jetzt klar, dass es allein die Serien sind, die mich in die ungesunde Ernährung treiben. Aber dagegen anzugehen ist leicht – einfach nur den Konsum verlagern. Also den Serienkonsum. In „Shogun“ zum Beispiel, die Serie spielt um 1600 in Japan, wird viel Tee getrunken – das könnte ein ganz gutes Vorbild sein, auch weil in dem Land während der Edo-Zeit anscheinend bereits ein viel ausgefuchsteres Hygienekonzept als in Europa galt. Der britische Protagonist John wird nämlich nach seiner Rettung aus Seenot gefragt, ob er baden möchte. Entrüstet weist er das Angebot mit der Aussage zurück, er habe doch schon letzte Woche gebadet. „Wollt Ihr, dass ich die Ruhr kriege?!“ Und das will natürlich niemand.
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